Die Brueder
origineller Motivkreis. Wie im Werk Gauguins.
Das Problem bestand natürlich darin, dass die, die gerne mit der Form experimentierten, mit den Farben statt beispielsweise mit dem Motiv wie die Expressionisten, immer die zu sein schienen, die eben keine Hand zeichnen konnten.
Wie, ehrlich gesagt, auch Margie.
Es war natürlich wunderbar, dass sie an der Royal Academy studieren durfte und das auch noch aufgrund ihrer eigenen Fähigkeiten und ohne Hilfe seiner verworfenen Skizzen. Vieles an ihr war bewundernswert, insbesondere ihre Entschlossenheit, mit der sie sich von den Familientraditionen lossagte, ihre Weigerung, sich eine gute Partie zum Lebensziel zu machen und sich in das gut möblierte Gefängnis einzuordnen, in das man die Mädchen von klein auf hineinerzog. Sie erhielten keine höhere Ausbildung, sondern wurden dressiert in Benimm, Gesang, Musik, Sprachen und der Fertigkeit, einem großen Haushalt vorzustehen. Margies Freundinnen Vanessa und Virginia schienen auf dieselbe Art erzogen worden zu sein, zumindest waren ihnen einige Klagen über die Dienstboten entschlüpft, die ihn an Penelope erinnerten, wenn sie sich von ihrer schlimmsten Seite zeigte. Im Übrigen war es recht erstaunlich, dass sich die drei Freundinnen mit ihrem Hintergrund so gut mit den Streithähnen Lytton Strachey, Clive Bell, Thoby Stephen, übrigens dem Bruder von Vanessa und Virginia, und natürlich Albie verstanden.
Für die Sverre von ihren nächtlichen Dresdner Unterhaltungen über Kunst und Musik gänzlich unbekannte und unsympathische Art Albies zu diskutieren gab es eine Erklärung.
Als sie nach dem Bloomsbury-Abend in der Kutsche saßen, gab Albie ihm zu verstehen, das sei eine verspielte Reminiszenz an die Cambridge-Zeit. Lytton, Thoby und Albie waren alle Mitglieder des Diskussionsclubs »The Apostles« gewesen, der Diskussionen als einen nicht ernst zu nehmenden Sport betrieben hatte.
Die eintönige, grüne englische Landschaft zog an dem Abteilfenster vorbei, ebenso monoton wie das regelmäßige Rattern über die Schienenstöße. Schließlich fielen Sverre die Augen zu. Zwischendurch wurde er wach, zwang sich aber immer wieder dazu einzuschlafen. Einmal träumte er, dass Margies Gesicht sich in Albies verwandelte. Er erwachte abrupt wie aus einem Albtraum und konnte nicht wieder einschlafen. Also zog er seinen Skizzenblock aus der Reisetasche und machte sich daran, die Bilder von Eugen Sandow um Details wie Haare, Augen und Schnurrbart zu ergänzen. Als ihn diese Tätigkeit zu langweilen begann, ging er in den Speisewagen.
Er hatte keinen Tisch reserviert, war jedoch so spät dran, dass sich sicher ein Platz finden würde.
Er bekam einen Tisch zugewiesen, der rasch mit einem frisch gestärkten Tischtuch, einem Weinglas, Bleikristall, und Besteck für drei Gänge gedeckt wurde.
Die Speisekarte war auf Englisch und Französisch, was etwas überraschte, wenn man bedachte, wie sehr die Engländer die Franzosen verachteten.
»Ich kann unsere Dover Sole Meunière als Hauptgericht empfehlen«, sagte der Kellner verbindlich, vielleicht auch heimtückisch, weil er Sverres Gedanken gelesen hatte.
»Danke, aber ich glaube, ich nehme heute lieber das Steak. Wie ist das Aberdeen Angus, ich hoffe, nicht zu durchgebraten?«, erwiderte Sverre so britisch wie nur möglich.
Er zog das Mahl in die Länge und trank zu dem zu durchgebratenen Steak eine Flasche Château Margaux. Der Wein würde es ihm hoffentlich erleichtern, wieder einzuschlafen, wenn er in sein Erste-Klasse-Abteil zurückkehrte, das er einstweilen noch für sich hatte.
Mittlerweile war er ein Gentleman, der recht gut bei Kasse war und keine sonderlich großen Ausgaben hatte. Die Kleider aus der Savile Row gingen auf das Manningham-Konto, Speisen, Getränke und Dienstboten in London ebenfalls. Er hatte nicht die Absicht, je wieder in die peinliche Lage zu geraten, sich nicht einmal eine Tube blauer Farbe leisten zu können.
Die Vereinbarung zwischen ihnen war simpel und Sverres Meinung nach viel zu großzügig. Albie erstand Pennies und Margies Porträts sowie das Gemälde mit dem Küchenmotiv, Käufe, die in der Manningham-Buchführung aufgelistet wurden. Anschließend hatte Sverre, nach höchst informellen Verhandlungen im griechischen Bad, den formellen Auftrag erhalten, die aussterbenden Handwerkstraditionen Manninghams zu dokumentieren. Eventuell ließ sich die Serie auch auf die Veränderungen der neuen Zeit ausdehnen.
Seine Bezahlung entsprach der eines
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