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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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etablierten eng­lischen Künstlers. Seither besaß er ein Konto bei der Bank of England, das ein Gefühl der Befreiung von einem für Albie kaum nachvollziehbaren Ausmaß ausgelöst hatte.
    Als er in sein Abteil zurückkehrte, war es immer noch leer. Die grüne, eintönige Landschaft vor dem Fenster hatte sich nicht verändert, und die Schienenstöße rumpelten fürchterlich.
    Der Blick aus dem Fenster vermochte seine Fantasie nicht zu beflügeln. Hier gab es keine Berge, keine Fjorde oder schwarzen Wälder, alles war einheitlich grün, und das einzige Bild, das ihm in den Kopf kam, war Margie mit ihrer neuen Knabenfrisur und ihrem neuen legeren Boheme­stil. Frech war sie mittlerweile auch und scheute wie die Schwestern Stephens nicht davor zurück, rüde zu fluchen, wenn auch in ihrem perfekten Upper-Class-Englisch, das die Worte komischerweise ihrer Schärfe beraubte.
    Während er mit der Bildserie über das Arbeitsleben auf Manningham beschäftigt war, begann sie mit einem neuen, teuren deutschen Fotoapparat zu fotografieren. Hin und wieder tauchte sie wie zufällig auf, wenn er mit vorbereitenden Skizzen beschäftigt war, führte nahezu aufdring­liche Detailstudien aus, was ihn störte und die Arbeiter in Verlegenheit brachte.
    So hatte es begonnen. Als Nächstes besuchte sie ihn im Atelier und in der Galerie, wo er nachmittags saß und in Öl arbeitete. Dort zeigte sie ihm ihre Porträtfotos, weil sie fand, diese könnten ihm als Vorlagen nützlich sein. Sverre teilte ihre Auffassung ganz und gar nicht, er verließ sich lieber auf sein Gedächtnis und seine Skizzen, aber das sagte er natürlich nicht.
    Nach einiger Zeit wollte sie neben ihm sitzen und ihm eingehender bei der Arbeit zusehen. Zu diesem Zeitpunkt ungefähr hatte er begriffen, worauf das Ganze hinauslaufen sollte.
    Sie wollte Künstlerin werden, und wie hätte ausgerechnet er ihr das ausreden sollen. Also hatte er ihr geraten, ihre Technik zu perfektionieren, indem sie unablässig übte und alles in ihrer Nähe skizzierte. An ihrem starken Willen, zu üben und zu lernen, war nichts auszusetzen.
    Das Problem war nur, dass sie nicht skizzieren konnte. Nach einiger Zeit schlug er ihr vor, etwas ganz anderes auszuprobieren, mit Farben zu experimentieren, einfach Farbkombinationen zu kreieren und zu sehen, wo die Fantasie sie hinführte. Vielleicht hatte er sie mit diesem Rat auch einfach nur loswerden wollen, aber als er ihre Collagen sah, die nichts Konkretes darstellten, was auch gar nicht beabsichtigt war, stellte er fest, dass sie Fantasie und ein bemerkenswertes Gefühl für Farbkombinationen besaß. Eine Zeit lang spielten sie also zusammen mit Farben und saßen dicht nebeneinander, so dicht, dass er ihren Oberschenkel an seinem spürte und befürchtete, dass das unschicklich sein könnte.
    Sie gab nicht auf, sondern kämpfte weiter, und allein das war bewundernswert. Der erfreuliche Umstand, dass sie in die Royal Academy aufgenommen wurde, stellte ihre Freikarte ins Leben dar, ein Leben mit den neuen Freundinnen, Vanessa und deren jüngerer Schwester, die Schriftstellerin werden wollte, eine Art vornehmer Boheme so fern von dem Leben, für das sie bestimmt gewesen war, dass man es sich kaum vorstellen konnte. Außerdem war sie liebenswert. Hätte er sich eine Idealschwester Albies ausdenken müssen, dann wäre in seiner Fantasie genau so ­jemand wie Margie entstanden.
    *
    Die Veranstaltung fand außerhalb der Stadt an der Tyne statt. Es war leicht, den Ort zu finden, weil die Leute in Nordengland viel hilfsbereiter als in London waren, auch wenn ihr Dialekt nur schwer verständlich war.
    Er war spätabends im Royal Station Hotel eingetroffen, das neben dem Bahnhof lag. Ein recht hässliches, aber prot­ziges Bauwerk im viktorianischen Stil, von dem sich die Engländer nicht so recht befreien mochten. Das Zimmer war jedoch wunderbar und das Frühstück solide englisch.
    Auf der gekiesten Uferpromenade waren viele Leute unterwegs: Kinder in Matrosenanzügen und Kniestrümpfen, Väter mit großen geflochtenen Picknickkörben, Frauen, die außer Hörweite ihrer Männer in Grüppchen für sich gingen, Arbeiter in dunklen Anzügen und Melone, Männer aus der Middle Class in Jackett und grauen Hüten flachen Typs, die gerade in Mode gekommen waren, einzelne Pferdedroschken und sehr wenige Automobile, die sich hupend zwischen all den Hindernissen ihren Weg bahnten.
    Eine Idylle, die genauso gut deutsch oder norwegisch hätte sein können, das

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