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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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hinzugekommenen Diskussionsteilnehmern die Geschichte jetzt ein weiteres Mal.
    Vor der Aufnahmeprüfung an der Royal Academy musste eine größtmögliche Anzahl Skizzen eingereicht werden. Sie hatte alles zusammengerafft, was ihr nicht allzu peinlich war. Bei der Auswahl hatte sie der Versuchung nicht widerstehen können, dass es bei ihr zu Hause einen meisterhaften Künstler gab, der Hunderte von Skizzen um sich herum verstreute, von denen die meisten im Papierkorb landeten.
    Sie hatte also die Papierkörbe geplündert und ihre Mappe beträchtlich aufgebessert.
    Kurz vor dem Vorstellungsgespräch bei der Royal Academy, denn so weit war sie vorgedrungen, war einer der älteren Lehrkräfte auf seinen Stock gestützt an sie herangetreten und hatte sie um ein Gespräch unter vier Augen in seinem Dienstzimmer gebeten.
    Errötend, mit klopfendem Herzen und beschämt war sie dem alten Herrn in sein Zimmer gefolgt. Auf seinem Schreibtisch lagen ihre Skizzen ordentlich in zwei Stapeln. Der eine Stapel ihre eigenen Versuche, der andere das Material, das sie aus den Papierkörben des Künstlers gerettet hatte. Der alte Mann deutete auf die Stapel und fragte unumwunden:
    »Habe ich recht?«
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu gestehen. In Tränen auszubrechen lag ihr nicht, aber gestehen musste sie. Daraufhin machte sie sich auf eine Moralpredigt, die Verweisung von der Royal Academy und schlimmstenfalls ein offizielles Verfahren gefasst.
    Aber der alte Mann lächelte nur. Und sein kurz gefasster Kommentar würde ihr für immer im Gedächtnis haften bleiben.
    »Mylady, Sie scheinen sehr stark von diesem meisterhaften, aber mir unbekannten Künstler beeinflusst zu sein, wie ich sehe. Das verstehe ich. Aber ich verstehe nicht, warum Sie nicht auf Ihre eigenen Fähigkeiten vertrauen. Jetzt beschränken wir uns darauf, dem Kollegium nur Ihre Skizzen vorzulegen, und dann wird alles zu Ihrer Zufriedenheit verlaufen.«
    Die anderen hatten diese Geschichte bereits gehört, schienen sie aber auch beim zweiten Mal amüsant zu finden und applaudierten. Aber Margie hatte noch eine weitere Pointe in Bereitschaft.
    »Und dort sitzt er also, der ziemlich meisterhafte Künstler!«, sagte sie und deutete auf Sverre.
    Sverre, der neben seinem großen schwarzen Skiz­zenblock saß, kam sich wie ein auf frischer Tat ertappter Ganove vor. Die neugierige Begeisterung, die ihm jetzt entgegenschlug, machte die Sache noch schlimmer. Insbesondere da alle zu erwarten schienen, dass er auch etwas zu der Angelegenheit zu sagen hatte.
    Wie ein Boxer durch den Gong wurde er durch das Auftauchen eines großen, schlaksigen Mannes in Tweedanzug mit Weste und rotem Bart und runder Brille gerettet. Nach der allgemeinen Begeisterung zu urteilen, war er ein guter Freund aller Anwesenden. Er ging auf Vanessa zu, umarmte sie und tat dann so, als würde er einen Fleck auf ihrem Kleid entdecken.
    »Aber Vanessa!«, rief er. »Sind da wirklich Spermaflecken auf deinem Kleid? Und so weit oben?«
    Vanessa lachte nur. Niemand schien über diese Bemerkung im Mindesten schockiert zu sein. Sverre fragte sich, in was für eine Gesellschaft er da eigentlich geraten war. Seine Verwunderung nahm auch im Laufe der folgenden Stunde nicht ab.
    Lytton Strachey, so hieß der jüngst Eingetroffene, verwandelte die Unterhaltung zu einer Vorführung der Schlagfertigkeit. In rasendem Tempo wurden die aktuellen Themen abgehandelt, Vitalismus und Mechanismus in weniger als zehn Minuten, und alle warfen mit langen Zitaten von Henri Bergson und Friedrich Nietzsche um sich.
    Sverre sah mit Erstaunen, dass sich Albie mit demselben Eifer und derselben Gewandtheit wie Lytton in die Diskussion warf. Er distanzierte sich vehement vom Vitalismus, der seiner Meinung nach die Romantik schwächte, dann machte er sich über Nietzsches Also sprach Za­rathustra lustig, in dem der lächerliche, sogenannte Übermensch in Gestalt eines »esoterischen Blödmanns« erschien, der hoch gelegene Plätze aufsuchte, um seine »Sinne zu berauschen«, ohne auch nur im Geringsten zur Entwicklung der Menschheit beizutragen. Während die Ingenieure, also Leute wie er selbst und Sverre, eine neue Welt für den neuen Menschen bauten, der wahrhaftig nicht die Zeit hatte, auf einem Berg zu sitzen und seine eigene geistige Überlegenheit zu genießen.
    So ging es immer weiter, Diskussionen über alles und nichts wogten hin und her. Sverre hatte das Gefühl, einem Tennismatch beizuwohnen und dem hin und her sausenden

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