Die Brueder
sich in zwei Tagen treffen und Sverres Arbeit detaillierter diskutieren.
Außerdem könne Sverre schon jetzt zwei Bücher erwerben, die er in der Bahn auf dem Heimweg lesen könne und die sich als Vorbereitung auf seine Bildschöpfungen eigneten, da beide mit zahlreichen Fotografien illustriert seien. Ob er ihm vielleicht auch ein wenig kräftigende Sandow-Schokolade anbieten dürfe?
Sandow kramte eine Papiertüte hervor, die mit einem Farbbild seiner selbst verziert war, auf dem er vier Männer in geflochtenen Körben an ausgestreckten Armen in die Höhe hielt. Sverre wusste nicht recht, ob Sandow scherzte, und antwortete zurückhaltend, sie würden eher ins Geschäft kommen, wenn er einen kräftigenden Sandow-Whisky anzubieten habe. Die beiden Engländer, die offenbar gut Deutsch verstanden, lachten genauso laut wie Sandow selbst.
Im Nachtzug zurück nach London blätterte Sverre lange in den beiden Büchern, die ganz richtig mit zahlreichen Fotografien illustriert waren. Es ging um »Kraft und die Kunst, diese zu erhalten« sowie »Sandows System körperlichen Trainings«. Eine neue Welt eröffnete sich seiner Fantasie, er sah die Gemälde bereits vor sich und hatte endlich ein vollkommen neues Betätigungsfeld entdeckt.
Als er auf die Liege seines Schlafwagenabteils sank, erfüllte ihn ein warmes, selbstbewusstes Glück wie schon lange nicht mehr. In letzter Zeit hatte er oft gezweifelt. Jetzt vermochte ihn nicht einmal der Lärm der Schienenstöße zu stören, nachdem er von Bildern erfüllt eingeschlafen war.
Das warme Glücksgefühl hielt auch am nächsten Morgen an, als er sich rasierte, was in dem schaukelnden Schlafwagen nicht ganz einfach war. Er freute sich bereits darauf, den ganzen Tag seinen neu erstandenen Büchern zu widmen.
Als er den Speisewagen betrat, um ein spätes Frühstück zu sich zu nehmen, sah er jedoch ein, dass er seine Pläne ändern musste. Beck-Olsen und Arvid Sandberg saßen sich, aufgrund ihrer Leibesfülle je zwei Plätze einnehmend, gegenüber, ein wunderbar komischer Anblick.
»Hier ist die Gefahr, rausgeworfen zu werden, bedeutend geringer«, meinte Sverre, und der Weltrekordler rückte lächelnd auf der lederbezogenen Bank zur Seite. Sverre, der auch kein kleiner Mann war, zwängte sich mit einer halben Pobacke darauf.
Den Essensresten nach zu schließen, hatten die Riesen mindestens zwei Dutzend Bratwürste und dazu Bacon und Spiegeleier verspeist. Anschließend hatten sie herzhaft dem Bier zugesprochen. Beide hatten gute Laune, Arvid Sandberg, weil es Eugen Sandow nicht gelungen war, ihm in Newcastle mit kindischen Tricks die Schau zu stehlen. Beck-Olsen freute sich, dass die Englandreise bald vorüber war und man sie wieder wie Menschen behandeln würde, was hier nie der Fall war. Die englischen Großmäuler taten geradezu so, als würden sie ihre eigene Sprache nicht verstehen.
Während Sverre begann, Porträts von ihnen zu skizzieren, fragte er sie über ihren Hintergrund aus. Beide kamen aus ähnlich ärmlichen Verhältnissen wie er. Sandberg war in einem kleinen Ort mit einer Schmiede in Västmanland, einer waldreichen Gegend dreihundert Kilometer nordwestlich von Stockholm, aufgewachsen. Beck-Olsen hatte seine Kindheit in einer Ziegelei in Jütland verbracht. Irgendwann in ihrer Jugend hatten sie festgestellt, dass sie stärker waren als alle anderen. Und nachdem beide den Turnervereinen der jeweiligen Hauptstädte beigetreten waren, hatten sie dieselbe Entdeckung gemacht. Der Rest war jahrelanges hartes Training gewesen.
Im Augenblick mussten sie eine Zwangspause einlegen, da die Polizeibehörde in Stockholm öffentliche Ringkämpfe verboten hatte. Der Stockholmer Polizeipräsident war zu dem Schluss gelangt, Ringen sei unmoralisch oder unsittlich oder sogar beides. Angeblich sei bei dem Kampf vor Publikum zu viel von den Hinterbacken zu sehen, was verderblich aufreizend wirken könne. Insbesondere wenn gleichzeitig Alkohol ausgeschenkt werde. Nach zähen Verhandlungen wurden Berns Salonger, das Mosebacke Etablissement und andere Varietétheater vor die Wahl zwischen Ringkämpfen und Alkoholausschank gestellt. Alle wählten die Schanklizenz.
Aber in Kopenhagen und Kristiania seien Ringkämpfe nach wie vor gestattet. Übrigens werde Arvid in genau einem Jahr und auch in den darauffolgenden Jahren etwa zur selben Zeit in Kristiania auftreten. Da sei Sverre als Norweger natürlich besonders willkommen.
Nach einer Reihe haarsträubender Anekdoten aus der Welt
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