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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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sprach.
    »Gott, wir danken dir für die Gaben der Erde und des Meeres. Wir danken dir für die Rückkehr eines verlorenen Sohnes. Zu seinem Empfang haben wir das gemästete Kalb geschlachtet.«
    Flüsternd übersetzte Sverre das Tischgebet.
    »Das bedeutet, dass sie mir verziehen hat, und euch auch«, fügte Sverre hinzu.
    Nach dem Gebet hob in dem düsteren Hauptraum ein erwartungsvolles Murmeln an, und eine Reihe junger Frauen trugen große Platten mit Braten und Fisch sowie Tabletts mit großen schäumenden Biergläsern herein.
    »Das ist neu, das hätte ich nicht erwartet«, flüsterte Sverre. »Hier ist es eigentlich nicht üblich, sich bei Festen zu amüsieren. Das erstaunt mich sehr«, flüsterte Sverre. »Und noch dazu Bedienungspersonal?«
    »Lästere nicht! Trink und freu dich!«, flüsterte Margie zurück.
    Auf dem Gut Frøynes hatte sich einiges geändert.
    Nicht nur waren unter gewissen außergewöhnlichen Umständen wie einem heimgekehrten verlorenen Sohn, größere Mengen Bier und, vielleicht noch schockierender, Gelächter und Gerede erlaubt.
    Nein, Frøynes war inzwischen ein registriertes Warenzeichen. Jeder Pullover, der unten am Hafen verkauft wurde, war mit einem schwarz-silbernen Etikett mit dem maschinengestickten Namen Frøynes und der Silhouette jenes noch nicht fertiggestellten Wikingerhauses auf der Anhöhe versehen.
    Der Verkauf auf der Insel diente überwiegend der Unterhaltung der Touristen. Der eigentliche Vertrieb fand in den Warenhäusern und an den Verkaufsständen an den Bergenser Kais statt. In Tyssebotn gab es inzwischen keine Arbeitslosigkeit mehr. Alle Frauen strickten Pullover, und die Männer, die weder in der Fischerei noch in der Mühle am Hafen beschäftigt waren, arbeiteten mit bei Ver­packung, Transport, Schafzucht oder der Herstellung von Wolle. In der folgenden Wintersaison würde man neue, größere Räumlichkeiten in dem Wikingerhaus auf der ­Anhöhe beziehen, in dem Heizung und Beleuchtung die Arbeit in der dunklen Jahreszeit erleichterten. Frøynes hatte sich zu einem Industriestandort entwickelt.
    Für diesen Wandel gab es zwei Grundpfeiler. Eine nötige Voraussetzung war Mutter Maren Kristines einzig­artiges Gefühl für Muster und Farben. Margie kamen die Tränen, als sie sich die Musterkollektion anschaute.
    Die zweite Voraussetzung war durch die Buchhaltung der Firma Lauritzen & Haugen in Bergen gewährleistet. Werbung, Vertrieb, Verträge mit Subunternehmern, Verträge mit Warenhäusern.
    Die neue Zeit hatte also auch vor dem kleinen Tyssebotn auf Osterøya nicht haltgemacht, und falls etwas an dieser Entwicklung Erstaunen hervorrief, so der Umstand, dass sich Mutter Maren Kristine auf so viele gottlose Veränderungen eingelassen hatte, weil sie anständig für ihre künstlerischen Anstrengungen bezahlt wurde.
    Sverre hatte sich anfänglich nicht erklären können, wie es Lauritz gelungen war, ihre Mutter zu überreden, da sie ihm nicht einmal erlauben wollte, vor seiner Weiterreise ihr Porträt zu malen. Zuerst hatte sie wie erwartet die üblichen religiösen Argumente angeführt. Ein Porträt sei nur ein Ausdruck von Eitelkeit, ein Blendwerk des Teufels, sie habe sich ihr Leben gegen den Vorwurf wehren müssen, außergewöhnlich schön zu sein. Das Äußere eines Menschen sei nichts, nur die Schönheit der Seele zähle, und die messe sich daran, wie viele Sünden ein Mensch während seiner Lebenszeit auf sich lade. Und so weiter.
    Dass es gerade jetzt Sverres heißester Wunsch sei, das Porträt seiner Mutter zu malen, müsse doch jeder verstehen, meinte Albie. Seine Mutter sei der Traum eines jeden Künstlers. Schöner könne man sich die reife Frau nicht denken, selbst wenn sie für diese Art von Schmeichelei offenbar nicht empfänglich war.
    Am zweiten Abend, als sie im Wikingerhaus unter sich waren, am offenen Kamin saßen und den mitgeschmuggelten Rotwein tranken, erzählte Sverre nicht ohne Stolz, wie er seine Mutter doch noch überredet hatte. Lauritz’ Vorschlag, ein kleines Handarbeitsunternehmen aufzuziehen, hatte sie schließlich auch mithilfe religiöser Begründungen von sich gewiesen. Und doch war bald das großzügige Wikingerhaus, das mit seinen Drachenköpfen am Dachfirst mehrere nautische Meilen weit den Fjord entlang zu sehen sein würde, fertiggestellt. Für die Drachenköpfe hatte Sverre selbstverständlich ein paar neue Entwürfe beigesteuert.
    Lauritz hatte seine Mutter mit dem Argument überzeugt, dass der Ausbau dieses

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