Die Brueder
Stunden des Tages. Dann stießen sie auf das Löwenrudel, das auf einer kleinen Anhöhe, von der aus es einen guten Überblick hatte, in der Sonne lag.
D und Sverre saßen ab und führten ihre Pferde ein Stück beiseite, banden sie an einem Busch fest und machten sich bereit, D mit seiner Doppelflinte und Sverre mit Margies altem Fotoapparat, den er sich für Situationen wie diese ausgeliehen hatte, in denen mit einem Skizzenblock nicht viel anzufangen war.
Alles ging sehr schnell, war in weniger als zwei Minuten vorüber und verlief fast so, wie D es vorausgesagt hatte.
Als der größte Löwe, der angegriffen hatte, umzingelt war, verwandelte sich die Szenerie in ein schreiendes, in eine Staubwolke gehülltes Durcheinander, das in einem wütenden Gebrüll des aus allen Richtungen von Speeren durchbohrten, sterbenden Löwen kulminierte.
»Komm!«, sagte D. »Es ist vorbei. Jetzt werden die Gefallenen gezählt.«
Ein Junge war tot. Der Löwe hatte seine Kehle zerfleischt und ihm mit seinen Pranken tiefe Wunden beigebracht. Ein weiterer war in recht übler Verfassung, und drei oder vier zeigten sich stolz gegenseitig ihre blutenden Wunden.
»Wir machen Folgendes«, meinte D, als er fand, Sverre habe genug fotografiert. »Falls der Bursche mit der Kopf- und Bauchverletzung zu retten ist, nehme ich ihn auf mein Pferd. Es ist für einen Massai keine Schande, sich von einem Freund helfen zu lassen, nachdem er sich im Krieg wacker geschlagen hat. Die Massai kümmern sich um ihre Verwundeten. Du reitest mit den anderen nach Hause. Sie lassen sich auf dem Heimweg mehr Zeit und müssen außerdem noch ihren toten Kameraden tragen. Wegen der Löwen brauchst du dir, wie du sicher verstehst, keine Sorgen mehr zu machen.«
D legte dem vom Jungen zum Massai-Krieger gewordenen Jüngling einen Verband an, kam zu dem Schluss, dass er überleben werde, wenn er vor dem Abend medizinisch versorgt würde, sagte etwas zu den überglücklichen Massai-Kriegern, was diese mit einem fröhlichen Nicken beantworteten, setzte den Verwundeten vor sich auf den Sattel und ritt davon.
Die Jünglinge schnitten dem Löwen als Trophäe den Schwanz ab und das Herz heraus. Dann tanzten sie um das massakrierte Tier herum und begannen anschließend nach Hause zu tänzeln. Ihr Gesang klang jetzt ganz anders und war auch abwechslungsreicher als am Morgen. Beim Tragen des mit Rindenstreifen zwischen zwei Stangen festgezurrten Toten wechselten sie sich ab.
Sverre ritt hinter den jungen Männern her. Das lange Sitzen im Sattel bereitete ihm Schmerzen. Die flache Landschaft mit einzelnen Akazien, das Licht der tief stehenden Sonne am Nachmittag, die Blutflecken im Gras vor ihm, die das Pferd scheuen ließen, Blut, das von dem herausgeschnittenen Löwenherzen, aber auch von den verletzten Kriegern stammen konnte. Afrika, dachte Sverre. Ich bin vollkommen unwirklich wirklich in Afrika.
Erst beim letzten Licht des Sonnenuntergangs erreichten sie das Dorf. D war mit seinem Verletzten lange vor ihnen eingetroffen, und alle wussten bereits, was vorgefallen war. Überall brannten Feuer, und der Tanz hatte begonnen. Die jungen Männer wurden von den Frauen mit hellem Trällergesang begrüßt. Sverre vermutete, dass diejenigen, die gerade heldenhaft zu Männern geworden waren, in dieser Nacht von den Frauen umsorgt werden würden. Zumindest hatte D etwas in dieser Richtung angedeutet.
*
Als die Regenzeit begann, konnte man nichts mehr im Freien unternehmen. Auf Soysambu verkrochen sich alle im Haus, während es draußen in Strömen goss. D’s Haar war inzwischen schulterlang, und eines Abends schnappte sich seine Frau resolut eine Schere und schnitt die Hälfte ab. D protestierte nur schwach, symbolischer Widerstand, scherzte er.
Es war bald Dezember. Seit Juni waren sie nun schon in Afrika, aber die Zeit war stehen geblieben oder spielte keine Rolle mehr. Albie hatte ein Nashorn erlegt und dann sogar noch ein zweites, aber er hatte lange warten müssen, bis ihm eines mit einem über 40 Zoll langen Horn vor die Flinte gekommen war. Sverre ging langsam die Leinwand aus, er hatte bereits einige seiner ersten Gemälde übermalt. Ihnen schmeckte das Wild immer noch, das Feuer im offenen Kamin knisterte, und der Whiskyvorrat war noch lange nicht geleert.
»Werden die Massai je ein zivilisiertes Volk werden?«, fragte Sverre, um ein neues Gesprächsthema anzuschneiden.
»Nein, zum Donnerwetter, das hoffe ich wirklich nicht.« D lachte. Sogar Florence Anne
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