Die Brueder
wollten sie sich stehend mit dem Speer in der Hand und dem Schild über dem Arm abbilden lassen. Obwohl diese Pose eintönig wirken mochte, ließ sie sich hundertfach variieren. Auf einer Anhöhe, vor einer Rinderherde, vor dem blaugrünen See und in der Savanne mit im Wind flatterndem braunrotem Umhang oder als Silhouette vor einem blutroten Sonnenuntergang.
Nach und nach gewann er das Vertrauen der Massai. Erst brachte Leboo seine beiden Frauen Nalutuesha und Tanei in Festkleidung mit. Sie hatten sich wie jede englische Frau für das Porträt in Schale geworfen und stellten sich neben ihren Mann. Das Licht kam schräg von vorn. Ihre rasierten Schädel glänzten, und der Glasperlenschmuck funkelte. Nach einiger Zeit konnte Sverre sich allein ins Massai-Dorf begeben und dort ungewöhnlichere Motive malen, selbst höchst private, da den Massai jede normale menschliche Scham zu fehlen schien. Kapalei zum Beispiel wollte sich gerne dabei malen lassen, wie er eine seiner Frauen bestieg.
Schließlich durfte Sverre sogar die Initiationsriten der Jungen abbilden. Aber da verlangte D, ihn als Leibwächter zu begleiten.
Die Massai-Jungen wurden nämlich dadurch zum Mann, dass sie gemeinsam einen Löwen aufspürten, ihn umzingelten und mit dem Speer töteten.
Die erste Schwierigkeit bestand darin, überhaupt einen Löwen in der Gegend von Soysambu und dem angrenzenden Massai-Dorf zu finden, wo allzu viele Speere und die Doppelflinte D’s die Löwen in respektvollem Abstand hielten. Während Fährtensucher in alle Richtungen ausschwärmten, um Löwen aufzuspüren, kamen die werdenden Männer in eine Boma für sich, in der sie ein älterer Mann nach den Traditionen des Dorfes mit Kriegsbemalung versah.
Als die Botschaft eintraf, dass sich etwa einen halben Tagesmarsch entfernt ein kleines Löwenrudel aufhalte, begann der erste rituelle Tanz. Die Jungen wechselten sich ab. Einer spielte den Löwen und wurde von seinen Kameraden umzingelt, die immer wieder mit dem Speer angriffen. Die Tänze dauerten einen ganzen Tag, dann gab es ein Festessen mit frischem, mit Kuhmilch gemischtem Blut und über dem offenen Feuer gebratenem Ziegenfleisch.
Bei Sonnenaufgang stellten sich die dreizehn Jungen in einer Reihe auf, stimmten einen monotonen, rhythmischen Gesang an und liefen dann in gleichmäßigem Trott los. D und Sverre folgten zu Pferde. Die Jungen waren barfuß und, da sie den rostroten Umhang nicht trugen, bis auf einen Lendenschurz nackt. D erklärte, dass die Löwen in Massai-Land vor den Umhängen der Massai flohen, wahrscheinlich läge das an den tausendjährigen schlechten Erfahrungen.
Der von Gesang begleitete Dauerlauf ging unverdrossen weiter, auch nach Sonnenaufgang, als die Hitze unerträglich wurde. Es war November, die Regenzeit stand bevor, und es war die wärmste Periode des Jahres.
D beschrieb in groben Zügen, was sie erwarten würde, wenn alles nach Plan verlaufe. Es ging darum, einen Löwen von den anderen abzusondern und zu umzingeln, gelänge das, sei das Schwierigste geschafft. Auf die Frage, ob man sich dabei nicht in Lebensgefahr begebe, zog D nur ironisch die Brauen hoch und erklärte, ein nobleres Schicksal als so ein Tod könne einen nicht ereilen. Wem dieses Glück zuteilwerde, dessen würde sich der Gott Engai annehmen, und seine Familie würde mit Ehren überhäuft werden. Das Zweitbeste sei, dass einem der Löwe, bevor er getötet wurde, mit seinen Krallen ein paar Schrammen beibrächte. So hätte man im Kreis der Krieger für den Rest seines Lebens einen sichtbaren Beweis seines Heldenmuts.
Im Übrigen werde von jedem Massai erwartet, dass er einen Löwen töten konnte. Die Speere seien mit langen, rasiermesserscharfen Spitzen versehen. Griff der Löwe von vorn an, gelte es, den Speer ordentlich in die Erde zu rammen, die Ruhe zu bewahren und gut zu zielen, damit sich der Löwe selbst aufspieße. Kinderleicht!
Letzteres sagte D mit einem gelassenen Ernst, der Sverre davon überzeugte, dass es tatsächlich ein Kinderspiel war.
Es gelang D aber nicht lange, ernst zu bleiben. Er schüttete sich förmlich aus vor Lachen.
»Verdammt, Sverre! Nichts, was mit der Löwenjagd zu tun hat, ist leicht. Deswegen hinke ich auch. Bei der Löwenjagd geht alles, was schiefgehen kann, früher oder später schief. Das ist auch bei den Massai nicht anders.«
Die Jungen, aus denen Männer werden sollten, rannten noch etwa eine Stunde weiter, also insgesamt vier Stunden ohne Pause in den heißesten
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