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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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schien diese Frage amüsant zu finden.
    »Genauer gesagt«, fuhr D nachdenklicher fort, »sind sie bereits zivilisiert, afrikanisch zivilisiert. Die anderen Mischvölker können wir vielleicht zu Landarbeitern, Haushaltshilfen, Köchen, Kindermädchen, Kellnern, Gärtnern und ähnlichen einfachen Verrichtungen erziehen. Die Massai aber nicht. Am Ende wird es nur zwei zivilisierte Arten in Afrika geben, ihre und unsere.«
    »Aber werden sich diese niedrig stehenden Stämme, ohne zu klagen, damit abfinden, sich von uns erziehen zu lassen?«, fragte Albie treuherzig nach.
    Das war, wie sich zeigte, keine harmlose Frage. In der folgenden Stunde erzählte D eingehend von diesem Pro­blem. Einige Bantuvölker verstünden nicht, welche Segnungen die englische Zivilisation mit sich brächte. Es komme ständig zu Aufständen. Die Bantu bestahlen und mordeten, überwiegend jedoch einander. Es wurden Straf­expeditionen losgeschickt, was eine betrübliche Ange­legenheit war. Vor einem Jahr war es einem Nandistamm in den Sinn gekommen, englisches Vieh zu stehlen. Die King’s African Rifles waren daraufhin losgezogen und ­hatten den Nandi den größeren Teil ihres Viehbestands, 11 000 Kühe, gestohlen. Dasselbe geschah, als den Kikuyu und Emba vor einigen Jahren Ähnliches einfiel. Ihr Vieh wurde konfisziert, und man erschoss 1 500 Aufständische, die meisten von ihnen im Kampf. Auf englischer Seite ­waren drei Gefallene und 33 Verwundete zu beklagen. Schlimmer sei es vor einem Jahr gewesen, als ein Hauptmann mit dem deutschen Namen Meinertzhagen eine Nandi-Revolte niedergeschlagen hatte. Er lud zu Verhand­lungen ein, gab dem Anführer des Aufruhrs Maitalel die rechte Hand, hielt dessen Hand fest, zog seinen Revolver und erschoss Maitalel mit der Linken. Maitalels Dele­ga­tion, zwei Dutzend Mann, die vor dem Zelt warteten, wurde gleichzeitig mit einem Maschinengewehr niedergemäht. Erstaunlich war, dass man Meinertzhagen mit einem Distinguished Service Order, also fast einem VictoriaKreuz, für seine Heldentat auszeichnete.
    Das war fatal für die Moral. Es galt, Aufstände schnell und hart niederzuschlagen, jedoch im offenen Kampf. Wenn die Gegner mit Speeren über die Savanne heranstürmten, erwartete man sie mit dem Maschinengewehr, und sie starben wie Männer, und alles war, wie es sein sollte. Gleichzeitig hatte man ihnen eine Lektion erteilt, nicht gegen die zivilisierte Übermacht zu rebellieren. Die Ordnung musste stets wiederhergestellt werden, und zwar rasch und nachdrücklich.
    Vor allem durfte man sich nicht so blamieren wie die verdammten Belgier, die ein ganzes Land nur wegen ei­niger raffgieriger Gummibarone abschlachteten, genauer gesagt wegen eines raffgierigen Gummikönigs. Durch so etwas geriet das koloniale Projekt in Misskredit. Mög­licherweise reichte es, in Britisch-Ostafrika ein paar Hunderttausend Bantu zu beseitigen, damit alles glattlief. Aber am Ende sollten alle davon profitieren. England war in Afrika für ewige Zeiten, möglicherweise mehr zum Nutzen der Afrikaner als dem eigenen.
    In Soysambu herrschte ohnehin bereits der zukünftige Idealzustand. Die Zivilisation hatte im Massai-Land Wurzeln geschlagen. Keine Nandi würden auf die törichte Idee kommen, das Massai-Land anzugreifen. Soysambu war Afri­kas Zukunft, Massai und Engländer lebten Seite an Seite, und beide Rassen konnten die Früchte dieses wunderbaren Landes genießen.

VII – Ein vollkommen unbegabter Künstler auf dem Niveau eines Fünfjährigen
    England 1910–1912
    Margie und Vanessa hatten unter ihren Liebhabern auf­geräumt und eine drastische Rochade ausgeführt. Das war rationell und erleichterte den Umgang, aber dass es auch kunsthistorisch von Bedeutung sein würde, hätten sie sich wohl kaum vorstellen können.
    Margie hatte nach einem kurzen Intermezzo mit Duncan Vanessas Mann Clive Bell ganz übernommen. Duncan war der Liebling aller und zog eigentlich Männer vor, ­Clive war in dieser Beziehung weniger kompliziert.
    Im Gegenzug hatte Vanessa Roger Fry bekommen. Margie hatte keine Einwände erhoben. Vor allem deswegen nicht, weil er versucht hatte, Vanessa und sie eifersüchtig zu machen, indem er ein begehrliches Auge auf Vanessas kleine Schwester Virginia warf, die ständig schrieb und Schriftstellerin werden wollte. Jetzt befand sich alles in geordneten Bahnen, was vielleicht etwas eintöniger, aber in jedem Fall weniger kompliziert war.
    Albie und Sverre hatten dem teilweise unübersichtlichen Bericht

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