Die Brueder
Margies amüsiert zugehört.
»Du warst nicht untätig, während wir in Afrika waren«, konstatierte Albie. »Aber wie kam eigentlich Roger Fry ins Spiel?«
»Vanessa und Clive haben ihn im Zug aus Oxford kennengelernt. Er ist Maler und Kunstkritiker«, antwortete Margie.
»Verstehe«, erwiderte Albie. »Damit war der Ausgang natürlich unausweichlich. Jetzt hat also Vanessa einen Kunsthistoriker und Maler, und du hast einen frankophilen Kunst kritiker. Ich vermute, das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Oder sollen wir bereits jetzt viel Glück wünschen? «
»Das wäre durchaus angebracht. Wo du ja selbst ein Anhänger von geordneten Verhältnissen bist, zumindest mittlerweile.«
Diese letzte Bemerkung kränkte Albie und Sverre sichtlich. Offenbar bereitete ihnen die alte Geschichte immer noch Probleme. Albie entzog sich der Verlegenheit, indem er aufstand und in die Küche ging, um noch ein paar Flaschen Rheinwein zu holen. Margie sah Sverre entschuldigend an.
»Bin ich zu weit gegangen?«, meinte sie.
»Ja, vielleicht«, räumte Sverre ein.
»Ihr habt das Zerwürfnis also noch nicht bereinigt?«
»Du meinst die Affäre mit Casement? Ja und nein. Wir sprechen nicht mehr darüber, aber es liegt wie ein Gletscher zwischen uns, besonders nachts, wenn du verstehst, was ich meine. Vielleicht ist das meine Schuld, ich bin halt nicht wie ihr und habe einen Liebhaber an jedem Finger. Ich könnte nie untreu sein.«
»Ach was! Das können alle! Es braucht nur die richtige Gelegenheit und hat nichts zu bedeuten.«
»Für mich bedeutet es sehr viel«, antwortete Sverre leise und schaute weg. Es war unübersehbar, dass ihn das Gesprächsthema quälte.
Margie ließ das Thema fallen. Beide schwiegen. Als Albie mit dem Wein hereinkam und nachschenkte, sagte immer noch niemand etwas.
»Lasst uns auf unser munteres Wiedersehen anstoßen«, sagte Albie und hob sein Glas. »Weiß jemand ein lustiges Gesprächsthema?«
»Ja, ich«, sagte Margie und strahlte.
Es ging um eine Kunstausstellung. Grafton Galleries hatten im Oktober eine Ausstellung absagen müssen. Dort gab es also eine Lücke. Clive und Roger, also Roger Fry, wollten nach Paris fahren und dort Bilder für eine Ausstellung sammeln. Sie hatten sich bereits in groben Zügen mit der Galerie geeinigt. Ein Literaturkritiker namens Desmond war mit der Organisation betraut.
Das einzige Problem bestand darin, dass sie nicht nach Paris reisen konnten, ehe sie mehr Geld beisammenhatten.
Margie legte eine vielsagende Pause ein.
»Nicht zu fassen«, sagte Albie. »Eure gut organisierten Liebhaber wollen also nach Paris fahren und Kunst kaufen. Und du hast Vanessa natürlich bereits versprochen, dass du deinem heiß geliebten Bruder seine sauer verdienten Zechinen abnehmen wirst?«
»Wie scharfsinnig!« Margie lachte.
»Wenn ich das richtig verstanden habe, dann wollen Vanessas Mann und dein momentaner Liebhaber also gut gelaunt nach Paris reisen, um Kunst zu kaufen. Und sie haben nichts gegeneinander?«
»Natürlich nicht. Warum sollten sie?«
»Entschuldige, das war offenbar eine dumme Frage. Das einzige kleine Problem bei diesem Kunstkauf ist also das Geld?«
»Ja. Die Kasse ist noch nicht ausreichend gefüllt.«
»Ach ja. Und wie viel fehlt?«
»Zwei- bis dreitausend Pfund könnten nicht schaden.«
Albie seufzte und schüttelte den Kopf. Er liebte es gar nicht, über Geld zu reden, am wenigsten mit seinen Freunden in Bloomsbury. Trotzdem konnte er sich einen kleinen moralisierenden Vortrag über die Finanzen von Manningham nicht verkneifen, was gar nicht zu seinem Freundeskreis passte und völlig untypisch für ihn war. Es brach einfach aus ihm heraus.
Die letzten fünf Jahre hatte Manningham House Gewinn abgeworfen, die Investitionen in moderne Technik und die Umstellung von extensiver Schafzucht auf intensiven Ackerbau hatten sich rentiert. In diesem Jahr würde der Überschuss zwar bescheidener ausfallen, aber das hatte mit den Kosten für die Hochzeit, dem Aufenthalt in Afrika und vor allen Dingen mit den Investitionen in D’s Betrieb in Soysambu zu tun. Er hatte in der Tat mit einer hundertjährigen Familientradition gebrochen und mehr ausgegeben, als verdient worden war. Und …
Er verlor den Faden. Margies und Sverres aufrichtiges Erstaunen über seine Betrachtungen nahm ihm alle Lust, weiter über Finanzen zu sprechen.
»All right!« Er seufzte. »Aber nur unter einer Bedingung.«
»Das ist Erpressung«, schnaubte Margie.
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