Die Brueder
moderne Kunst, war nämlich ein äußerst unpassendes Thema für ein Dinner in der feineren Gesellschaft, fast so, als würde man über Geld oder Politik sprechen.
Nach dem Dinner fanden sich die Gentlemen in Hausmänteln im Herrenzimmer ein und rauchten Pfeife, Zigarren oder Zigaretten. James servierte die Drinks. Sverre trat an die Bar, um sich selbst ein Glas einzugießen, was er sich als Bewohner Manninghams erlauben konnte. Das war natürlich eine Aufforderung, und Albie kam auch sofort zu ihm herüber, goss sich einen Whisky ein und mischte ihn mit ein wenig Wasser. Er lächelte Sverre an und sagte leise, aber unmissverständlich, es sei lange her, er sehne sich schrecklich und sei drauf und dran, verrückt zu werden.
»Ich auch. Wir müssen das hier irgendwie überstehen«, war die einzige Antwort, die Sverre einfiel.
»Ich habe eine Idee«, erwiderte Albie. »Du gehst voraus, weil es ja einige Zeit dauert, das Wasser in das griechische Bassin einzulassen. Schließlich können wir hier nicht Hand in Hand wegrennen.«
Dann ging er, Drink in der einen, Zigarette in der anderen Hand, zurück zu seinen Gästen, als hätte er keinen anderen Gedanken im Kopf, als sich mit ihnen zu unterhalten, über ihre Geschichten zu lachen und sich ihren konservativen Ansichten anzuschließen. Dass der Bergarbeiterstreik mit militärischen Mitteln beendet werden müsse, dass die Frauenrechtlerinnen zu weit gingen und dass Deutschland nicht größenwahnsinnig werden sollte.
Es regnete, als Sverre zur Ingenieursvilla spazierte. Er hielt das Gesicht nach oben, als wollte er alles abwaschen, was ihre Zeit in Afrika befleckt hatte. Sein Herz schlug schnell, er atmete heftig, er hätte gerne wie damals, als er in der Morgendämmerung durch die leeren Straßen Dresdens nach Hause gegangen war, laut gesungen. Vor Glück, nachdem er sich die halbe Nacht mit Albie über das Leben und die Kunst unterhalten hatte.
Jemand war im Keller gewesen und hatte den Boiler eingeschaltet, vermutlich Albie. Es gab also genug heißes Wasser.
Sverre hatte nicht sonderlich viel getrunken, tanzte aber trotzdem die Treppen hinauf und sang »Die Forelle«, zumindest die erste Strophe, die er konnte. Aus vollem Hals singend, triumphierte er über die unglückliche Phase, in der sie das Schlafzimmer eines charmanten und in vielerlei Hinsicht bewunderungswürdigen Mannes voneinander getrennt hatte, der aber leider mehr als alles andere Männer verachtete, die Männer liebten.
Bald, dachte er. Ich träume nicht. Bald ist es überstanden. Trotzdem hatte er es nicht eilig, denn es dauerte vierzig Minuten, das kleine blaue Bassin zu füllen. Als er den Hahn aufgedreht hatte, begab er sich in sein Zimmer, zog sich aus, hängte den regennassen Frack pedantisch über den stummen Diener, bürstete ihn aus und suchte nach Flecken. Dann legte er seine Manschetten- und Hemdknöpfe in ein Kästchen aus Walnussholz, warf Manschetten, Hemdkragen, Hemd und Unterwäsche in den Wäschekorb, zog einen Morgenmantel an und ging ins Bad. Bislang war das Wasser nur 5 Zoll tief, er stieg die Stufen hinunter und überprüfte die Temperatur. Albie fror immer sehr rasch, und das Wasser musste so warm wie möglich sein, um nicht abzukühlen, bevor Albie kam. Das Wasser war so heiß, dass Sverre seine Hand rasch zurückziehen musste. Alles war in bester Ordnung. Wenn die Temperatur konstant blieb, würde über eine Stunde vergehen, bis das Wasser zu kalt für Albie wurde.
Als Sverre das Fest verlassen hatte, hatten die Bedienten bereits zwei älteren Gentlemen auf ihre Zimmer geholfen. Der eine war der Reden schwingende Mr. Worthington gewesen, der leicht ausfällig geworden war, indem er angedeutet hatte, dass seine Brauerei seit Langem dem Haus Manningham eine standesgemäße Existenz ermögliche. Offenbar spielte er auf die Mitgift von Lady Elizabeth an. Vor langer Zeit war aus Miss Worthington Lady Elizabeth geworden, und so etwas war weder ungewöhnlich noch gratis.
Im Morgenmantel drehte er, um nicht vor Ungeduld durchzudrehen, eine Runde durch das Obergeschoss und versuchte, sich auf triviale Dinge zu konzentrieren.
Albie konnte nicht aufbrechen, ehe sich die anderen Gentlemen auf ihre Zimmer zurückgezogen hatten. Gegen Ende ging das immer recht schnell, da niemand der Letzte sein, zu viel trinken und den Gastgeber daran hindern wollte, zu Bett zu gehen.
Nein, seine Sehnsucht ließ sich nicht länger mit solchen Bagatellen zügeln. Er nahm sich ein Buch über
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