Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
wie die Wölfe. Leute aus den reichen Stadtvierteln, die das Unwetter überrascht hat, sind von den Armen abgemurkst worden. Auch Obdachlose. Bis jetzt haben sie rund fünfzehn über die Mauer nach draußen geschmissen. Außerdem werden da immer wieder Frauen und Kinder vergewaltigt. Üble Geschichte. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn Ihnen da drin was passierte.«
Erneut lässt er eine Kaugummiblase platzen. Dann öffnet er die Tür von Marias Wagen. In seinen Augen flackert es. Er ist am Rande seiner Kräfte. Es kann nicht mehr lange dauern, bis er durchdreht.
»Haben Sie eine Waffe?«
»Ja.«
»Was für eine?«
»Eine, die in meine Handtasche passt.«
»Fühlen Sie sich imstande, sie zu benutzen, wenn es zu Zwischenfällen in der Menge kommen sollte?«
»Keine Sorge. Mit vier strammen Kerlen um mich rum bin ich zu allem fähig.«
Auf ein Zeichen des Unteroffiziers hin bilden die Männer einen Ring um Maria. Gemeinsam rücken sie durch einen betonierten unterirdischen Gang in Richtung auf das Stadion vor. Der Gestank wird stärker, das Stimmengewirr betäubend. Maria blinzelt, als sie ins Licht hinaustreten. Das Militär hat die Stromversorgung mithilfe von Generatoren wieder in Gang gesetzt, sodass die Flutlichtmasten die Gesichter aller Menschen im Inne ren hell beleuchten. Der Rasen in der Mitte ist in eine Art Behelfslager umgewandelt worden: endlose Reihen von Feldbetten, Planen, Plastiktischen, hier und da Stühle. Mehr hat das Heer an Fallschirmen nicht abwerfen können. Auch Trinkwasser
steht zur Verfügung, aber es gibt nichts zu essen. Während der ersten Stunden hat man versucht, Notrationen des Militärs zu verteilen, doch weil es dabei unter den Eingeschlossenen zu einer Welle von Gewalttätigkeit gekommen war, hatte der Oberbefehlshaber angeordnet, die Versorgung einzustellen.
Reglos bleibt Maria im grellen Flutlicht stehen. Irgendein Dummkopf ist sogar auf den Einfall gekommen, den riesigen Bildschirm anzuschließen, auf dem man sonst die Sportveranstaltungen verfolgen kann. Er zeigt Bilder der auf die Menge gerichteten Kameras. Fasziniert lässt Maria den Blick über das Meer geisterhafter Gestalten auf den Rängen laufen. Alles wimmelt, alles lebt. Es sieht aus, als würden die Menschen aufstehen, um einem Spiel aus einer anderen Zeit Beifall zu spenden, dessen Verlierer das Stadion nicht lebend verlassen werden. Das Rom der Antike, geht es Maria unwillkürlich durch den Kopf, während sie weiter den Blick über die ungewaschenen Gesichter gleiten lässt.
Sie spürt, wie sich kräftige Finger um ihren Arm schließen. Ein nach Pfefferminzbonbons riechender Atemhauch streift sie. Der Feldwebel, der den kleinen Trupp anführt, sagt: »Wir haben vier Minuten, bis die Menge reagiert. Auf keinen Fall dürfen wir hier einfach wie die Ölgötzen stehen bleiben.«
Maria gibt ihm recht. Das Gesicht des Elfen taucht in ihrem Kopf auf. Sie geht an den im Norden liegenden Rängen bis zu einer Treppe, die in die Menge hineinführt. Der Feldwebel holt sie ein: »Wohin wollen Sie?«
»Ich weiß, wo die Leute sind. Fragen Sie mich nicht, woher. Ich weiß es, das muss genügen.«
Der Mann weist auf die Menge. Einige Gesichter wenden sich dem kleinen Trupp zu. Finger zeigen auf sie.
»Auf keinen Fall gehe ich in diese Menschenmauer rein.«
Maria entwindet sich seinen Fingern. Bevor er etwas unternehmen kann, ist sie auf der Treppe und bahnt sich ihren Weg durch einen Wald aus Armen, Leibern und Beinen. Es riecht nach Urin und Exkrementen. Bevor sie die ersten Stufen erstiegen hat, hat sie sich gebückt, um eine Handvoll vom Regen aufgeweichter Erde aufzuheben und sich damit Gesicht und Kleidung bestrichen. Trotzdem richten sich gierige Männerblicke auf ihre Brüste und ihren Unterleib. Maria sieht, wie sich ihre Hosen spannen. Das vorzivilisatorische Stadium, in das sie zurückgefallen sind, kennt keine Tabus. Eine Hand fährt ihr zwischen die Schenkel. Ein Knacken. Ein Schrei. Mit gebrochenen Fingern verschwindet der Kerl in der Menge. Sie setzt ihren Weg fort, ist oben angekommen. Jetzt sieht sie den Elfen. Er hält das Mädchen in den Ar men, hat sie mit seinem Umhang bedeckt. Von Zeit zu Zeit wiegt er sie auf den Knien. Maria hält nach den beiden anderen weißen Umhängen Ausschau. Sie entdeckt Kano, der ihr bedeutet, dass sie näher treten soll. Er lächelt ihr zu.
»Wenn ich nicht irre, sind Sie Kano, und der dort ist Cyal. Wo ist Elikan?«
»Er wirft gerade einen unserer toten Feinde
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