Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Australien gezogen, wo mich ein Chirurg in Melbourne noch einmal unters Messer genommen hat.«
»Und dann haben Sie erneut angefangen zu morden?«
»Zuerst habe ich mich in Buenos Aires und danach in Rio als Psychiater niedergelassen. Von dort aus habe ich in
aller Ruhe nach euch gesucht und geduldig gewartet, bis ihr erwachsen wart. Als es so weit war und sich manche von euch, wie das im Leben so geht, in alle Winde zerstreuten, habe ich mich wieder ans Werk gemacht. Zuerst habe ich mir eure Ziehfamilien vorgenommen. Die lebten so verstreut, dass kein Polizist je einen Zusammenhang gesehen hätte. Ich habe gute Arbeit geleistet, mir Zeit gelassen und meine Vorgehensweise von Fall zu Fall geändert. All diese Morde habe ich über ungefähr zehn Jahre verteilt. Ich habe meine ganze Kraft da hineingelegt, ihnen die Eingeweide herausgerissen und die Gliedmaßen abgeschnitten. Du wärest stolz auf mich gewesen, Maria. Ich hatte wieder richtig Freude am Töten. Anschließend habe ich den Aufenthaltsort eines jeden von euch auf einer Landkarte markiert: Los Angeles, San Francisco, Chicago, Paris, Sydney, Hongkong. Für jemanden, der gern reist, das reinste Vergnügen. Anschließend habe ich mich mit Leib und Seele auf die Fährte meiner verlorenen Kinder gesetzt. Sie waren herangewachsen, und so war es für sie Zeit zu sterben.«
8
Es kommt Maria vor, als versinke sie in einem Meer aus Watte, dessen weiche und leichte Wellen sich über ihr schließen. Dröhnend dringen Daddys Worte in ihr Bewusstsein.
»Angefangen habe ich mit Cassy Trippman in Ohio. Durch ihre Erlebnisse in Seboomook geschwächt, war sie schließlich in einem Kuhdorf im Süden von Cincinnati gescheitert. Dort habe ich sie aufgestöbert. Sie vegetierte fortwährend alkoholisiert dahin und lebte von Sozialhilfe. Sie hatte gehofft, ein normales Leben führen zu können, mit einem Job als Bedienung und einem Kerl, der nicht allzu
blöd war, aber ihre Sucht hatte sie fest im Griff, sodass sie trotz zahlreicher Entziehungskuren auf Staatskosten immer tiefer darin versank. Stell sie dir als Mädchen mit den Streichhölzern in Gestalt einer durchgeknallten, versoffenen und verwahrlosten Alten vor... Ich habe nichts Besonderes empfunden, als sie keine Luft mehr bekam, weil ich ihr eine Plastiktüte über den Kopf gezogen hatte. Ich habe sie zwar verstümmelt, aber ohne dabei die geringste Lust zu empfinden. Im tiefsten Inneren war ich wohl sogar ein wenig traurig und enttäuscht, dass sie so tief gesunken war, trotz allem, was ich für sie getan hatte.«
»Sie sind ja total verrückt.«
»Ich will dir die öde Liste der Opfer ersparen. Ich habe ihrem Dasein in einem Augenblick ein Ende bereitet, in dem sie am wenigsten darauf gefasst waren. Ich habe sie mit ihren Angehörigen, ihrem Partner und ihren Kindern zusammengebracht. Dann habe ich die Eltern getötet und die Kleinen mitgenommen und in Krippen von jeweils acht Kindern untergebracht. Immer, wenn eine voll war, habe ich woanders eine neue eingerichtet, in einem anderen abgelegenen Winkel und einem anderen Land.«
»Was ist aus ihnen geworden?«
»Was weiß ich...«
Maria spürt, wie es ihr beim Gedanken an die armen Kleinen eiskalt über den Rücken läuft. Vermutlich haben sie wie einst sie selbst auf Daddys Rückkehr gewartet, mit dem Unterschied, dass dieser in seinem Wahn, der sich immer mehr verstärkte, je mehr Kinder er in seine Gewalt brachte, nie zurückkam.
»In den letzten sechs Jahren habe ich mir die vorgenommen, die es im Leben zu mehr gebracht hatten als die anderen. Ärzte, Anwälte und angesehene Geschäftsleute, die wie ich viel reisten. Während ich mir, bevor ich sie umbrachte, berichten ließ, was sie erlebt hatten, merkte ich, dass die
in der Krippe verbrachte Zeit in ihrer Erinnerung stärker verankert war als alles andere. Ich hatte ihnen das Leben ermöglicht, und ich habe ihnen das Leben genommen, das ein wenig auch mir gehörte.«
Daddy zündet sich eine Zigarre an und stößt Rauchkringel aus.
»Die Letzte hieß Melissa Granger-Heim. Sie lebte in Berlin. Ich habe sie bei einem Kongress abgeschlachtet, der in den Sitzungsräumen eines großen Hotels stattfand. Am letzten Abend des Kongresses habe ich mir Zugang zu ihr verschafft, während sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern zu Abend aß. Erst habe ich ihm die Kehle aufgeschlitzt, dann habe ich sie an einen Sessel gefesselt, wobei sie mir berichtete, dass ihr eine lange Therapie die Freude am Leben zurückgegeben
Weitere Kostenlose Bücher