Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
habe. Da sie Geschmack an der Sache gefunden hatte, war sie selbst Psychiaterin geworden, hat mithin denselben Beruf ausgeübt wie ich. Im allerletzten Augenblick hat sie mich wiedererkannt. Du hättest den Ausdruck in ihren Augen sehen sollen. Ein solches Entsetzen zu entdecken ist wie der Fund eines Diamanten.«
»In Seboomook lag Melissas Zelle unmittelbar neben meiner. Ich habe sie oft nachts weinen hören. Sie war noch so jung und entsetzlich verängstigt. Ich habe sie dann durch das Kellerloch zu beruhigen versucht. Manchmal habe ich die ganze Nacht mit ihr geredet, bis sie auf dem eiskalten Boden einschlief.«
»Sie hat sich auch an dich erinnert. Das hat sie mir unter Schluchzen gesagt, unmittelbar, bevor ich der Sache ein Ende gemacht habe. Sie hatte die gesichtslose Stimme nie vergessen, die ihr durch das Kellerloch Trostworte zuflüsterte, bis sie, ihren Teddy aufs Gesicht gedrückt, einschlief.«
»Was haben Sie mit ihren Kindern gemacht?«
»Du hast sie vorhin vor dem Fenster Ball spielen hören.
Ich habe ihnen zum Frühstück ein langsam und unmerklich wirkendes Gift verabreicht. Inzwischen dürften sie tot sein.«
»Warum?«
»Weil ich wusste, dass du kommen würdest. Ich habe Melissa umgebracht, um dich nach Berlin zu locken, und absichtlich Spuren hinterlassen, damit du mich hier in Rio findest. Es hat mir Spaß gemacht zu sehen, wie du mir in den letzten Tagen bei den Spaziergängen mit meiner kleinen Familie gefolgt bist.«
»Es ist nicht Ihre Familie.«
»Ich habe sofort gemerkt, dass du da warst. Ich habe gesehen, wie du mich am Strand beobachtet hast, während ich mit Melissas Kindern dort badete. Ich habe mit voller Absicht ein leeres Caipirinha-Glas auf der Terrasse einer Bar stehen lassen, damit du es zur Überprüfung meiner Fingerabdrücke an das FBI schicken konntest. Als du die Ergebnisse hattest, hast du dir einen Termin in meiner Praxis geben lassen und meiner Sekretärin erklärt, es sei eilig, weil es dir sehr schlecht gehe. Du hast ihr deine Unterlagen zufaxen lassen. Du hättest mich sofort festnehmen können, wolltest aber wohl Antworten von mir haben, wolltest unbedingt wissen, wer du wirklich bist. Und jetzt, liebe Maria, bist du überzeugt, die Partie gewonnen zu haben und von den vier Dutzend Polizisten gerettet zu werden, die meine Villa ziemlich auffällig umstellt haben.«
Maria versucht, den Kurzwellen-Ortungssender zu erreichen, den sie am Gürtel trägt. Ihre Hand fällt ins Leere. Es kommt ihr so vor, als dehne sich ihr Arm ins Unendliche und als höre ihre Hand überhaupt nicht mehr auf zu fallen.
Dr. Cooper lächelt: »Es hat keinen Sinn, Maria. Die Wände dieses Raums sind abgeschirmt, sodass keine Funkwellen
sie durchdringen können. Hier würde nicht einmal ein Fernseher oder ein Radio funktionieren.«
Maria klammert sich an das bisschen Wirklichkeit, das sie noch zu erfassen vermag, während sie immer tiefer im Meer aus Watte versinkt.
»Und die anderen Kinder, die der Mordopfer der vergangenen Monate?«
»Sie sind irgendwo in den Favelas eingesperrt. Die Pflegerinnen machen sich gerade daran, ihnen ein Glas von dem Getränk mit Gift aus dem Amazonas-Gebiet zu verabreichen, das ich den süßen Abkömmlingen von Melissa Granger-Heim heute Morgen zu trinken gegeben habe. Auch ich habe davon getrunken, genau wie du.«
»Und wieso haben Sie mich nicht zusammen mit den anderen umgebracht? Etwa weil mir die Flucht aus Seboomook gelungen war?«
»Ja, ich wollte dich als Letzte umbringen oder dich vielleicht mit der Erinnerung an all das weiterleben lassen. Ich habe gründliche Erkundigungen über dich eingezogen, musst du wissen. Ich war stets über dich auf dem Laufenden. Dabei habe ich die beiden Parks kennengelernt, die guten Leute, die dich nach deiner Zeit in der Krippe bei sich aufgenommen haben. Tüchtige Adoptiveltern, das muss man sagen, ganz anders als die Kranskys. Sie haben dich wirklich geliebt. Ich habe sie an einem Novemberabend erledigt.«
»Das ist eine Lüge. Sie sind bei einem Autounfall umgekommen.«
»Den Bären hat man dir aufgebunden, weil man dir weiteres Leiden ersparen wollte. Du warst im November jenes Jahres mit deiner Klasse in einem Zeltlager am Tahoe-See. Zwei Wochen fern von den Deinen. Diese Zeit habe ich genutzt, mich an einem regnerischen Abend in Hattiesburg um Paul und Janet Parks zu kümmern. Ich habe mir
dabei viel Zeit gelassen, um sie dafür zu bestrafen, dass sie an meiner Stelle das beste meiner Mädchen
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