Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Wasser im Mund zusammen. Mit rauer Stimme sagt der Greis: »Guten Tag, Maria. Ich heiße Chester. Chester Walls.«
Sie zuckt die Achseln.
»Von mir aus könnten Sie auch Forrest Gump heißen. Wie die Dinge liegen, spielt das nicht mehr die geringste Rolle.«
Das Lächeln des Mannes wird breiter. Die Zigarette hält wie festgeklebt in seinem Mundwinkel. Maria beugt sich über das Geländer und sieht den Schwimmer an seiner Angelschnur inmitten der Leichen tanzen.
»Was wollen Sie fangen?«
»Wichtig ist das Angeln, nicht, dass man etwas dabei fängt. Stimmt doch, oder?«
Erneut zuckt Maria mit den Schultern. Sonderbarerweise fühlt sie sich wohl. Jetzt holt der Alte die Schnur ein.
»Wollen Sie gehen?«
»Muss ja wohl.«
»Warum?«
»Weil sie kommen.«
Das Lächeln des Alten ist verschwunden. Maria sieht zum höher gelegenen Teil der Stadt hin. Männer in Schwarz kommen durch den Golden-Gate-Park und die Lombard Street. Während sie flüchtig die Türen der dort stehenden Autos berühren, öffnen sich diese knarrend, und eine Armee von Toten erhebt sich. Maria wendet sich dem Angler zu, dessen Umriss undeutlich zu werden beginnt.
»Dann haben die wohl gewonnen, was?«
»Noch nicht, Maria. Aber wir müssen uns beeilen.«
»Maria?«
Sie fährt zusammen. Ein leichter Migräneanfall sticht in
ihre Schläfen. Es kommt ihr vor, als habe sie Stunden geschlafen. Sie sieht auf die Bäume, die an der Windschutzscheibe ihres Wagens vorüberziehen, und spürt, wie Holly die Hand in ihre schiebt. Sie sitzen hinten, Kano fährt. Die Hände des Zauberers scheinen gealtert zu sein. Elikan, der neben ihm sitzt, wendet sich um. Auch er wirkt älter. Um seine Augen herum haben sich Krähenfüße gebildet, und Falten durchfurchen seine Stirn. Maria wendet sich Holly zu. Das Mädchen sieht sie aus großen traurigen Augen aufmerksam an, während der Wagen die Hauptstraße verlässt und mit unverminderter Geschwindigkeit über einen unbefestigten Weg rumpelt.
»Was gibt es, Schätzchen? Was ist mit den Männern?«
»Sie entfernen sich vom Wasser.«
Maria dreht sich zum Pearl River hin, der durch die Bäume schimmert. »Und was ist das da? Etwa Schweppes?«
»Es ist nicht ihr Wasser. Am Haus des alten Hüters geht es ihnen wieder besser, weil das Wasser da mit ihrem in Verbindung steht. Verstehst du?«
»Ehrlich gesagt nein, Liebling, aber das macht nichts.«
Der Wagen fährt langsam durch einen Tunnel, den eine Glyzine von der gleichen Art bildet wie vor Akimas Pflanzung. Das Blätterdach ist eher noch dichter, sodass Kano die Scheinwerfer einschaltet. Cyal, der auf der anderen Seite neben Holly sitzt, scheint zu schlafen. Maria fährt ihr mit der Hand durch die Haare.
»Schätzchen?«
»Ja?«
»Weißt du, wo du wohnst?«
»Du meinst, wo ich gewohnt habe? Nein, ich erinnere mich nicht.«
»Und weißt du, wie deine Eltern heißen?«
»Sie sind beim Unwetter umgekommen.«
»Du weißt also nichts, Schätzchen.«
»Doch.«
»Erinnerst du dich an deinen Namen?«
»Ich heiße Holly Amber Habscomb, aber die anderen nennen mich ›Mutter‹.«
»Wenn sie das auch mit mir machen, kriegen sie eins in die Fresse.«
Holly lächelt.
»Weißt du, was ich tu, wenn wir da sind?«
»Nein.«
»Ich seh auf meinem Computer in der Datenbank des FBI nach. Dann weiß ich in zwei Minuten, wo du wohnst, und wir können deine Eltern wiederfinden.«
»Sie sind tot.«
Maria will etwas Belangloses sagen, schweigt dann aber und gibt Holly einen Kuss auf die Haare.
»Äh … Schätzchen?«
»Ja?«
»Als Nächstes nehmen wir eine Dusche: Du stinkst wie ein Ziegenkitz.«
Holly lacht laut heraus. Maria wendet sich Kano in dem Augenblick zu, da der Wagen den Glyzinen-Tunnel verlässt. Das Sonnenlicht ist so grell, dass sie blinzeln muss. Am Ende der Zufahrt steht eine alte Fischerhütte auf Pfählen. Ein Taxi parkt davor.
»Wo sind wir, Kano?«
»Am Pearl River, in der Zuflucht des alten Chester.«
»Wie heißt der Alte?«
Elikan wendet sich um. Lächelnd weist er auf drei Männer, die am Ufer des Flusses mit Fliegen fischen. Ein stämmiger Alter, ein Jüngerer und ein alter Schwarzer. Der Stämmige trägt einen Strohhut. Er wendet sich um, als Kano sacht bremst. Maria erstarrt, als sie den Angler aus ihrem Traum wiedererkennt. Er gibt dem Jüngeren seine Angelrute in die Hand und kommt leicht hinkend näher.
Die Hüter steigen aus und verneigen sich vor dem Alten. Sie tauschen Hunderte von telepathischen Mitteilungen voller
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