Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
sollen, als die ersten Lecks aufgetreten und Informationen durchgesickert waren. Statt sofort zu handeln, hatten die Geldgeber einige Monate zu lange gewartet, was zu weiteren undichten Stellen geführt hatte. Die letzte Säuberung hing mit der Akte Idaho Falls zusammen, doch war damit nur die Spitze des Eisbergs abgetragen worden. Gleich im Frühjahr 1981 hätte man aktiv werden müssen, als sich Professor Angus mit der Hälfte der
Dokumente davongemacht hatte. Nach einer monatelangen Hetzjagd quer über den ganzen Planeten hatten ihn die Spürhunde der Stiftung schließlich auf einer einsamen Insel vor der Küste Thailands aufgespürt, wo er untergekrochen war und von Wurzeln und Regenwasser lebte. Volle vierundzwanzig Stunden lang hatten sie ihn in die Mangel genommen und nur Pausen gemacht, um seine blutenden Wunden zu versorgen und sein Herz in Gang zu halten. Brannigan hielt nicht besonders viel von der Folter. Das mochte eine Weile ganz amüsant sein, doch gab das Opfer ziemlich schnell alles Beliebige zu, ob wahr oder unwahr, nur damit der Schmerz aufhörte. Sinnvoll war der Versuch, die Wahrheit durch Zufügen von Leiden zu erfahren, wohl in erster Linie bei Angehörigen spezieller Einheiten, die dafür ausgebildet waren, Verhören standzuhalten. Bei ihnen war es ein Vergnügen, sie auf kleiner Flamme dazu zu bringen, dass sie ein Geständnis ablegten. Doch bei einem alten Wissenschaftler, der jeden Augenblick tot umfallen konnte und dann seine Geheimnisse mit sich ins Grab nahm, empfahl sich eher die Anwendung weniger gewalttätiger Methoden.
Am Ende jenes Tages hatte Brannigan dem Alten eine gewisse Menge Wahrheitsserum injiziert, woraufhin dieser angefangen hatte, alles von sich zu geben, was er wusste: Formeln, die er auswendig gelernt hatte und eine ganze Liste von Namen. Rund dreißig Wissenschaftlern, unter ihnen zahlreiche Archäologen, aber auch einigen Journalisten, hatte er Zugang zu einem Teil der Akten verschafft, indem er sie fotokopierte und in alle Länder der Welt verschickte. Zwar enthielten sie in erster Linie unverständliche mathematische oder chemische Formeln, doch gab es auch Textpassagen: Berichte über Inschriften, die im Zusammenhang mit dem Manhattan-Projekt in Höhlen entdeckt worden waren. Angus, der den Auftrag gehabt hatte,
sie zu entziffern, war dabei auf etwas gestoßen, das ihn um den Verstand gebracht hatte. Daher war er mit den Akten geflohen, um seine Kollegen und die Presse zu alarmieren. Doch die Dokumente, die er hatte veröffentlichen wollen, enthielten nicht nur das Material, sondern auch Berichte über höchst geheime Experimente der Stiftung sowie, und das wog am schwersten, einen Teil von deren Organigramm. Ausgerechnet das wäre den Journalisten um ein Haar in die Hände gefallen.
Es war Brannigan gelungen, größeres Unheil zu verhüten, und so erschienen Veröffentlichungen lediglich an einigen abgeschiedenen kleinen Orten tief in den Vereinigten Staaten, wo abgehalfterte Reporter den Knüller ihres Lebens gewittert hatten. Die Stiftung hatte dafür gesorgt, dass alle Spuren so gut wie möglich verwischt wurden, doch der Schaden war nun einmal geschehen. Da er sich zu allem Überfluss immer weiter ausbreitete, hatte die Stiftung eine geheime Abteilung mit einen Jahresetat von elf Millionen Dollar ins Leben gerufen. Erbarmungslos spürten die in ihr organisierten und unverfänglich als »Regulatoren« bezeichneten Ordnungskräfte allen Verzweigungen des von Angus ausgelösten Übels nach, so unbedeutend sie auf den ersten Blick erscheinen mochten. Sie durchforsteten nicht nur das Internet, sondern auch Tageszeitungen auf der ganzen Welt, um es überall dort, wo es auftauchte, mit Stumpf und Stiel auszurotten. Unterstützt von Computerprogrammen mit Hunderten von Suchwörtern überwachten sie nahezu alles: Telefongespräche, E-Mails, Faxsendungen, Datenbanken von Bibliotheken bis hin zu den Diplomarbeiten von Chemie- und Archäologiestudenten. Als Ergebnis ihrer Suche hatten sie inzwischen rund tausend Kopien der von Angus beiseitegeschafften Akten sichergestellt. Wie viele davon noch auf der ganzen Welt im Umlauf waren, wusste Gott allein. Um möglichst viele Mitwisser aus dem Weg zu
schaffen, hatten sie rund hundert Verkehrsunfälle, Selbstmorde und Herzattacken inszeniert.
Brannigan leitete diese Phantomarmee mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Fatalismus. Im Grunde ging es ihm wie einem Arzt, dem klar ist, dass er unter Umständen einen bestimmten
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