Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Unmittelbar vor seinem Tod hatte ein Forscher im Stützpunkt über die Notfall-Leitung noch eine Mitteilung absetzen können: Er hatte sich in eine der Steuerzentralen geflüchtet und gesagt, dass eine halbe Stunde zuvor Alarm ausgelöst worden sei, was für alle, die in den unterirdischen Geschossen zugange waren, bedeutete, dass sie nicht hinauskönnten. Er hatte versucht, in den Zentralrechner einzugreifen, doch dieser hatte ihm mitgeteilt, da für den Stützpunkt die höchste Stufe biologischen Alarms ausgelöst worden sei, lasse sich der dafür vorgesehene automatische Ablauf nicht durch Menschen beeinflussen. Auf seine Aufforderung, ihm die Art der Bedrohung mitzuteilen, wurde ihm erklärt, ein Nervengas sei freigesetzt worden, das nach wenigen Minuten die Neuronen und anschließend sämtliche Körperzellen des menschlichen Organismus angreife. Zudem werde die Luftzufuhr abgeschnitten, weil sich das Gas durch die Zu- und Abluftkanäle verbreite. Der Forscher war zusammengefahren, als er die Feuerstöße automatischer Waffen aus den Tiefen des Stützpunkts hörte. Offensichtlich hatte das Nervengas bei den dort stationierten Soldaten bereits seine Wirkung
getan und ihnen vorgegaukelt, die Wissenschaftler seien Spione, woraufhin sie das Feuer auf diese eröffnet hatten.
Als Nächstes hatte der Mann versucht, dennoch in den Ablauf der Dinge einzugreifen und über die Tastatur die Notfallcodes eingegeben. Daraufhin wurde ihm signalisiert, dieser Versuch sei sinnlos. Damit war dem Mann klar geworden, dass er einen aussichtslosen Kampf gegen eine Gleichung führte, in der er nicht die Unbekannte war, sondern eine beliebige Variable, die hundertste Nachkommastelle der Zahl Pi, und er hatte seine letzte Botschaft geschickt. In ihr beschrieb er genau, was er auf den Kontrollbildschirmen sah, die mit den Kameras an den verschiedensten Stellen der Anlage verbundenen waren.
Soeben hatten die Männer der Spezialeinheit das sechste unterirdische Geschoss erreicht, in das sich die meisten Wissenschaftler geflüchtet hatten. Auch sie hatte das sich ausbreitende Gift verseucht, und so hatten einige von ihnen den toten Soldaten, die mit aufgequollenen Gesichtern und Armen in den Gängen lagen, die Waffe abgenommen und auf alles geschossen, was sich bewegte. Die Stimme des Wissenschaftlers, der sich in die Steuerzentrale geflüchtet hatte, war immer schwächer geworden, während er beschrieb, was im siebten Tiefgeschoss vor sich ging, wo sich etwa vierzig Männer und Frauen in weißen Kitteln verschanzt hatten. Dort war der Erreger der Seuche durch die Belüftungskanäle eingedrungen, bevor der Rechner die Luftversorgung hatte abschalten können. Der Mann berichtete, dass die Unglücklichen vor seinen Augen unmäßig aufgequollen seien, sich dann aufeinandergestürzt und gegenseitig mit den Zähnen attackiert hätten. Dann hatte er aufgehört zu sprechen, und man hatte schwere Schläge gehört, die gegen die Tür des Raums hallten, in dem er sich befand. Ein Blick auf seine Bildschirme hatte ihm gezeigt, dass Soldaten im Begriff standen, die Leitungen kurzzuschließen,
um in die Anlage eindringen zu können. Dann hatte sich seine Stimme verändert, während das Übel Besitz von seinem Organismus ergriff. Seine Augen waren trüb geworden, und seine Atmung hatte sich beschleunigt. Er hatte noch gesagt, dass ihm nicht viel Zeit bleibe und er nicht bereit sei, sich in den willenlosen Zustand versetzen zu lassen, den er bei den Kollegen im siebten Tiefgeschoss gesehen hatte, während sie einander zu zerfleischen trachteten. Dann hatte er die Scheibe eines Kastens zerschlagen, in dem sich der Schlüssel zu einem Safe befand, die darin befindliche Dienstwaffe herausgenommen, durchgeladen und sich in den Mund geschossen. Da die Aufnahme weiterlief, hatte man das Geheul und die Schüsse hören können, die aus den verschiedenen Tiefgeschossen im Kontrollraum zusammenliefen. Dann, zwanzig Minuten später, war im Stützpunkt Stille eingetreten.
2
»Hax, Sie nähern sich jetzt dem Teil der Anlage, in dem die Verseuchung am schlimmsten gewütet hat. Seien Sie vorsichtig.«
»Verstanden.«
Die Männer befinden sich in den Gängen des vollständig der Stiftung vorbehaltenen sechsten Tiefgeschosses. Über seine Helmkamera macht Hax mehrere Aufnahmen von den Leichen, deren verzerrte Gesichter im bleichen Schein der Leuchtstoffröhren Fratzen zu schneiden scheinen. Manche haben sich die Wangen blutig gekratzt, andere haben die entsetzlichen
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