Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
musste, und jetzt kann ich kaum gehen.«
Holly dreht sich zu Kano um. Der Junge lächelt ihr zu und schüttelt dabei langsam den Kopf.
»Mama?«
»Ja?«
»Wenn es dir so schlecht geht, warum sagst du dann nicht Papa, dass er mich holen soll?«
»Er wartet auf dich, mein Schatz. Er wartet darauf, dass er dir eine ordentliche Tracht Prügel verabreichen kann.«
»Mama?«
»Ja, Prinzesschen?«
»Papa schlägt mich nie. Das hat er noch nie getan. Nicht mal eine ganz kleine Ohrfeige.«
»Ach, weißt du, mein Schatz, du bist wegen des Unwetters traurig und weißt nicht mehr, was du sagst. Erinnerst du dich nicht an das letzte Mal, als du im Supermarkt Bonbons gestohlen hast? Erinnerst du dich nicht, dass dich Papa da mit in den Schuppen genommen und dir mit einer Schaufel den Hintern so versohlt hat, dass du überall grün und blau warst?«
»Was für ein Schuppen, Mama?«
»Was ist?«
»Wir haben keinen Schuppen …«
Holly kneift unter Tränen die Augen zusammen. Sie sieht, wie sich die füllige Frau über das Wesen beugt, das ihrem Vater ähnlich sieht. Sie flüstern miteinander. Dann richtet sich die füllige Frau wieder auf und schreit erneut: »Wenn das so ist, essen Papa und ich den Kuchen ohne dich. Möchtest du das?«
Jetzt schluchzt Holly.
»Du bist doch tot, Mama, nicht wahr?«
»Mein Schatz, ich schwöre dir, dass das nicht stimmt. Deine Mama ist da. Deine Mama hat dich lieb. Komm rasch in die Arme deiner Mama, die dich lieb hat, Holly, mein Schatz.«
Die füllige Frau hat die Arme weit ausgebreitet. Ihre Rührung wirkt so echt, dass Holly von der Schaukel springt und auf sie zugeht. Hinter ihr ertönt Kanos Stimme: »Holly! Tu das nicht! Sag ihr, sie soll die Treppe herunterkommen und dich in die Arme nehmen.«
Der Mund der fülligen Frau verzieht sich vor Wut, als Holly auf dem verbrannten Gras stehen bleibt. Sie schluckt ihre Tränen herunter.
»Mama?«
»Ja?«
»Wenn du lebst und mich wirklich lieb hast, kommst du dann bitte runter und nimmst mich in die Arme? Bitte. Wenn du mich wirklich lieb hast …«
Im Obergeschoss fauchen die Wesen, die wie Mädchen aussehen. Die füllige Frau richtet sich mühsam auf und stützt die Hände in die Hüften. Sie weiß, dass sie verloren hat. Sie gibt das Spiel auf. »Ob ich dich wirklich lieb habe? Wie kannst du es wagen, daran zu zweifeln, verdammtes kleines undankbares Biest.«
»Ach, Mama, mach bitte, dass du nicht tot bist …«
»Wie kannst du es wagen, daran zu zweifeln, dass ich dich lieb hab! Ich hab dich im Schutt des Einkaufszen – trums gesucht, bis ich nicht mehr konnte! Gerade als ich deinen Papa retten wollte, ist ein Eisenträger runtergestürzt und das Wasser ins Einkaufszentrum gekommen. Ich musste all das Wasser schlucken, während du dich Gott weiß wo versteckt hast.«
»Ach, Mama, wenn du wüsstest, wie du mir fehlst.«
»Du mir aber nicht, du Miststück! Du fehlst mir überhaupt nicht! Ich verabscheue dich. Hörst du, ich hasse dich!«
Von Schluchzen geschüttelt, ist Holly auf die Knie gesunken. Sie spürt die brennenden Schwingungen, die sie aussendet und von denen sie eingehüllt wird. Sie werden immer stärker. Gerade als sie aufstehen und auf das Wesen im gelben Kleid zugehen will, öffnet sich das Gartentor erneut. Sie wendet sich um. Eine hochgewachsene schöne brünette Frau bleibt am Rand des Kreises aus verbranntem Gras stehen.
»Holly? Komm zu mir, Schätzchen. Ich bin jetzt da.«
»Nein, Maria, tun Sie das nicht.«
Kano hat den Arm der Frau genommen, die sich behutsam von ihm löst und einen Fuß ins Innere des brennenden Kreises setzt.
»Nein, Maria!!«
Die Frau verzieht gequält das Gesicht, als sie über das rauchende Gras schreitet. Sie empfindet so große Schmerzen, dass ihr Tränen aus den Augen stürzen. Holly sieht sie an.
»Wer sind Sie?«
»Ich bin Maria. Maria Megan Parks. Erinnerst du dich nicht an mich, Schätzchen?«
»Nein, aber es gefällt mir, dass Sie mich ›Schätzchen‹ nennen.«
Holly wendet sich erneut dem Haus zu, das im Begriff steht, vor ihren Augen zu verschwinden. Nebel hüllt die Hecke ein. Es hat wieder angefangen zu regnen.
»Was ist da los?«
»Du musst jetzt aufwachen, Schätzchen. Du musst das Feuer löschen, weil sonst alles verbrennt.«
Holly sieht auf die brennenden Blätter, die um sie herum durch die Luft wirbeln.
»Mache ich das?«
»Ja. Du musst aufhören zu träumen.«
»Ich weiß nicht, wie …«
»Du musst nur zulassen, dass ich dich in die Arme
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