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Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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nehme, und ich wecke dich dann. Einverstanden?«
    Holly wendet sich der Frau zu. Die Füße müssen ihr entsetzlich wehtun, aber sie hält durch. Sie hält durch, weil sie sie liebt. Das Mädchen nickt. Sie wird ganz steif, als sie die Arme der Frau um sich spürt. Sie weint noch mehr, als sie ihre Lippen auf ihrer Stirn spürt. Sie öffnet die Augen. Der Garten ihres Elternhauses ist verschwunden. Über ihr zittert die Ulme des Heiligtums. Es riecht versengt. Holly beruhigt sich und legt ihre glühend heiße Wange auf den Arm Marias, die sie an sich drückt. Sie sieht zu den Hütern hin, die reglos am Rand des Kreises aus versengtem Gras stehen. Sie spürt den Schmerz, den Maria empfindet. Sie sieht auf ihre Füße.
    »Entschuldigung, Maria.«
    »Wofür, Schätzchen?«
    »Dass ich dir wehgetan habe.«
    »Psst, Schätzchen, psst. Das Einzige, was mir wirklich wehtun würde, wäre, dich zu verlieren.«

TEIL ZWÖLF
    CHAOS

1
    Der Präsident hat dem Verteidigungsminister die Leitung der Krisensitzung übertragen und seine engsten Berater in einem kleinen Raum neben dem Oval Office zusammengerufen. An den getäfelten Wänden hängen Porträts der Gründerväter der Vereinigten Staaten sowie Gemälde der großen Schlachten, die zu deren Entstehung beigetragen haben: Lexington, Concord, Yorktown, Shiloh, Bull Run, Gettysburg und die Belagerung von Washington. Der Präsident sitzt in einem Sessel unter dem Porträt Thomas Jeffersons und blättert in der Akte Holly, während er ab und zu einen kleinen Schluck aus einem Glas mit besonders altem Malt Whisky nimmt. Er hebt den Blick zu Crossman und zeigt auf sein schweres Kristallglas, in dem zwei Eiswürfel klirren.
    »Sie auch, Stuart?«
    »Gern, Mr. President.«
    »Pur? Mit Wasser?«
    »Pur.«
    »Daran tun Sie zweifellos recht.«
    Der Präsident macht einem Bediensteten ein Zeichen, der daraufhin eine Karaffe öffnet und feierlich etwas bernsteinfarbene Flüssigkeit in ein zweites Glas gießt.
    »Dieser Malt stammt aus dem Jahr der Unabhängigkeitserklärung. Puristen wie Sie trinken ihn unverdünnt und denken an unsere Geschichte, während sie ihre Lippen damit benetzen und die köstliche Flüssigkeit in ihrem Mund verteilen. Ich aber stamme aus dem Süden, und deshalb
knurrt mein guter alter Harold immer tadelnd, wenn ich ihn bitte, die Geschichte mit etwas Wasser und zwei Eiswürfeln zu verlängern. Stimmt doch, Harold?«
    »Glücklicherweise verfügt unser Präsident über andere Qualitäten.«
    »Trotzdem, was kann man vernünftigerweise von einem Präsidenten erwarten, wenn er einen Malt so behandelt, der einst den Gaumen unserer Gründerväter umschmeichelt hat?«
    »Die Umsicht von Menschen, die gern kühlen Kopf bewahren?«
    »Getroffen, Harold!«
    Mit geschmeicheltem und zugleich zurückhaltendem Lächeln reicht der Bedienstete Crossman sein Glas. Der Direktor des FBI wirft einen Blick zum Präsidenten hinüber, der sich wieder in die Lektüre der Akte vertieft hat. Er nimmt einen kräftigen Schluck, wobei er sich fragt, ob man ein solches köstliches Gebräu im Mund hin und her rollen muss wie einen guten Wein oder ihn einfach so herunterschlucken darf. Ohne den Blick von den Blättern zu heben, sagt der Präsident: »Wie ein Glas Wasser, Crossman.«
    »Wie bitte?«
    »Wenn Sie das Zeug noch lange im Mund behalten, werden Sie vierzehn Tage lang nicht imstande sein, den Unterschied zwischen einem Omelett und einem Pfeffersteak zu schmecken. Stimmt doch, Harold?«
    »Unbedingt. Man riecht daran und trinkt es in kleinen Schlucken. Vielleicht möchte der Herr doch, dass ich es ein wenig verlängere?«
    »Nein, danke.«
    »Der Herr möchte schon, aber er traut sich nicht, Harold. Er meint, dass man einen Mann danach beurteilt, wie er trinkt, während man in Wahrheit an der Art, wie er
isst, erkennt, wen man vor sich hat. Ein Mann isst, wie er lebt und wie er liebt. Die einen nehmen kleine Häppchen, und die anderen schlingen. Nicht wahr, Ackermann? Sie als Vegetarier haben doch sicherlich eine Meinung dazu?«
    Ackermann gibt keine Antwort. Er kennt den Präsidenten und weiß, dass er immer so ist, wenn er nachdenkt: Er spricht über Whisky, Bücher und Jagdausflüge, in Wahrheit aber denkt er angestrengt nach.
    Crossman nickt zu Harold hinüber, der mit dem Eiskübel kommt und mit der Zange zwei Würfel in das Glas gibt. Sie klirren leise. Dann tritt Harold beiseite. Stille tritt ein. Crossman lässt den Blick über die strengen Gesichter der Gründerväter gleiten:

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