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Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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können. Sie hätten bestimmte Worte ausgesprochen, die Debbie im Laufe der Jahre immer wieder von sich gegeben hat, und sich dabei gefragt, was man einander noch sagen könnte, nachdem schon alles gesagt war. Wenn dann allmählich eine rosige Röte am Horizont erschienen wäre, hätten sie einander ein letztes Mal umarmt und wären gemeinsam dahingegangen, um im Geist der nächsten Generation Verehrungswürdiger in besserer Gestalt wiedergeboren zu werden.
    Prüfend zieht Debbie die Luft ein, die der Klimaanlage entströmt. Sie riecht nach Unrat und Urin. Unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte sendet sie eine lange ununterbrochene Botschaft von Qual und Verzweiflung aus. Die Verehrungswürdigen Mütter sind verstummt. Aufmerksam nehmen sie Debbies Mitteilung auf, der sie entnehmen, dass der Erzfeind dort ist und sie fliehen müssen. Debbie fordert sie auf, ungesäumt den Rückweg anzutreten. Hanikas Stimme antwortet ihr und schickt eine lange tröstende Botschaft. Sie hat ebenso wie die anderen begriffen. Debbie spürt, wie sich ihrer aller Liebe in ihrem Geist ausbreitet. Ihre Kräfte kehren zurück. Die Verehrungswürdigen Mütter schicken ihr einen Teil der Macht, gerade genug, damit sie ihre Aufgabe beenden kann.

    Debbie öffnet erneut die Augen. Inzwischen rühren zahlreiche Bewegungen die Oberfläche der Macht auf. Der Erzfeind wütet. Die Alte geht in Richtung auf die nach oben führende Rolltreppe und sieht zum Aufzug an der Außenwand des Einkaufszentrums hin. Große durchsichtige Glaskästen voller Touristen. In zweien von ihnen befindet sich ein Dutzend Obdachlose. Sie drängen sich an die Glaswände und sehen zu ihr her. Sie wollen ganz nach oben, um ihr den Weg zu verlegen. Debbie beugt sich über das Geländer der Rolltreppe: Die anderen Obdachlosen haben inzwischen den ersten Stock erreicht und beschnuppern die Säule, an die sie sich gelehnt hatte. Sie wissen, dass sie ganz in der Nähe ist.

9
    Im zweiten Stock schiebt sich Debbie durch das Gedränge zur nächsten Rolltreppe, an deren Handlauf sie sich festhält. Sie hebt den Blick zu der riesigen Kuppel, die das Einkaufszentrum überwölbt, und hört den Regen auf das Plexiglas prasseln. Sie ist entsetzlich müde. Während sich die Verehrungswürdigen Mütter entfernen, werden ihre Stimmen immer leiser. Sie versichern sie ihrer Zuneigung und sagen, dass sie sie nie vergessen werden. Debbie antwortet ihnen mit Gedanken voller Zärtlichkeit und Zuspruch.
    Eine nach der anderen verschwinden die Stufen der Rolltreppe unter ihr im Boden. Im nächsten Stockwerk sieht sie sich einem Labyrinth aus geschwungenen Gängen gegenüber, die in einem Ausgang münden, der zum Parkhaus führt. Debbie sieht die kleine Schwarze im grauen Mantel und mit Gummistiefeln an der Fensterfront stehen, auf die sich Ayous Aufmerksamkeit gerichtet hatte,
als er sich dem Einkaufszentrum näherte. Sie seufzt beim Gedanken daran, dass sie die schwierigste Entscheidung ihres Lebens zu treffen hat und sich dabei auf den Instinkt eines streunenden alten Katers verlassen muss. Das Mädchen hat Debbies Anwesenheit noch nicht bemerkt. Debbie lächelt. Sie hat soeben in den Gedanken des Mädchens gelesen, dass es sich versteckt, um seine Eltern zu ärgern. Es heißt Holly Amber Habscomb. Diesen Namen wiederholen die Lautsprecher mehrfach. Holly nimmt das nicht zur Kenntnis: Sie schmollt. Die Mutter wollte ihr keine Handtasche, Ohrringe und auch kein Kosmetiktäschchen kaufen, weil man mit elf Jahren so etwas angeblich noch nicht brauchte. Nachdem es Holly nicht gelungen war, sie vom Gegenteil zu überzeugen, ist sie den Eltern entwischt. Sie meint es nicht böse, will ihnen nur ein bisschen Angst einjagen. Nein, Holly ist nicht boshaft, das spürt Debbie. Außerdem ist sie außergewöhnlich empfänglich für die Gedanken anderer, und sie sieht auch Dinge, die anderen verborgen bleiben. Das genügt zwar nicht, um aus ihr eine Verehrungswürdige Mutter zu machen, wohl aber, um vorübergehend einen Teil der Macht zu bewahren.
    Du weißt aber, dass sie das umbringen wird, Cole. Es wird ihren Körper und ihren Geist verzehren. Erinnerst du dich an die vielen Geschwüre im Fell der Geschöpfe, die Ayou verfolgt haben?
    Debbie ballt die Hände zu Fäusten, um diesen Gedanken zu verjagen. Sie schickt dem Mädchen eine freundliche Botschaft und legt ihr dabei die Hände auf die schmalen Schultern. Die Kleine versucht, sich umzudrehen, doch mit fester Hand hindert Debbie sie daran. Sie darf der

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