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Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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wenden, um den Rückweg anzutreten. Sie versucht, Crossmans Gesicht durch die getönten Scheiben zu erkennen. Dann sieht sie den Wagen nach. Holly atmet schwach in ihren Armen. Sie beugt sich über sie, um den Geruch ihrer Haut in sich aufzunehmen. Gordons Hand legt sich auf ihre Schulter.
    »Wir müssen jetzt aufbrechen.«

11
    Gordon steuert den Pick-up über schmale Straßen durch die Wälder von Minnesota. Wie Pfützen nach einem Wolkenbruch blitzen Tausende kleiner Seen, die der Mississippi im Laufe der Jahrhunderte mit Wasser gefüllt hat. Von einem Fluss ist nichts mehr zu sehen, er ist nur noch ein schmales Rinnsal, das sich von See zu See schlängelt. Er hat sich verjüngt.
    Jetzt haben sie die Grenze des Reservats von Leech Lake erreicht und fahren westwärts zum Istaca-See. Der Asphaltstreifen, der sich in Richtung auf die Quelle windet, führt durch eine der wildesten Gegenden des Staates Minnesota.
    »Ist es noch weit?«
    »Wir sind bald da.«
    Maria legt den Kopf an Hollys Stirn und schließt die
Augen. Das Mädchen scheint zu schlafen, doch in Wahrheit liegt sie in einem Koma, das immer tiefer wird.
    »Wach auf, Maria, wir sind da.«
    Sie fährt hoch. Draußen ist alles dürr und verdorrt. Es gibt keine Straße mehr. Gordon fährt jetzt im Schritt, um das Fahrwerk zu schonen. Maria reibt sich die Augen.
    »Habe ich lange geschlafen?«
    »Etwas über zwei Stunden.«
    Sie will etwas antworten, aber ihr fällt nichts ein. Es kommt ihr vor, als hätte sie die Augen nur wenige Sekunden geschlossen.
    »Wo sind wir eigentlich?«
    Gordon weist auf eine rund hundert Meter entfernte vollkommen glatte riesige Wasserfläche, in der sich die umgebende Landschaft spiegelt. Hier entspringt der junge Vater aller Ströme dem Istaca-See. Am Fuß eines sehr alten Hügels, an dessen Spitze sie eine Höhle erkennt, stehen weiß gekleidete Greise in einer undurchdringlich scheinenden Reihe. Gordon wendet sich zu Maria um, die sich auf die Unterlippe beißt, als sie im Spiegel sieht, dass ihr Gesicht wieder gealtert ist und unter ihren Augen schwere faltige Tränensäcke hängen. Er schaltet die Zündung aus und öffnet die Tür.
    »Gordon?«
    »Ja?«
    »Bist das wirklich du, oder bist du ebenfalls … etwas anderes?«
    »Du meinst Eko?«
    »Ja.«
    »Er ist er und zugleich ich.«
    »Und wir?«
    »Was ist mit uns?«
    Statt zu antworten, wirft sie einen kurzen Blick auf Gordons große blaue Augen. Von ihm ist fast nichts geblieben
als dieser alte, tiefe und traurige Blick. Mit Holly in den Armen steigt sie aus. Sie fröstelt, als ihr der eisige Wind ins Gesicht beißt. Gordon verneigt sich vor den Hütern der Quelle, die zur Seite treten, um die Ankömmlinge durchzulassen.
    Gemeinsam ersteigen sie den Hügel und treten in die Höhle. Dort riecht es nach Moos und verbranntem Fett. Maria zwinkert im Dämmerlicht. Eine sehr alte Frau sitzt auf einem von Kerzen umgebenen flachen Stein am hinteren Ende des Raums. Sie hebt langsam den Kopf. Um ihr vom Alter zerstörtes Gesicht hängen lange weiße Strähnen. Ihr Atem geht schwer.
    »Tritt näher, Maria. Hab keine Angst.«
    Maria wendet sich zu Gordon um, der sich in einen Winkel nahe dem Eingang der Höhle gesetzt hat. Sie hat ihm Holly anvertraut. Er hält das Mädchen ungeschickt in den Armen. Er wirkt glücklich. Maria nähert sich dem Kerzenkreis, und heiße Tränen steigen ihr in die Augen, als sie Hezel erkennt. Die Alte lächelt.
    »Setz dich mir gegenüber, Maria, damit ich endlich dein Gesicht sehen kann. Du bist noch schöner, als ich gedacht hatte.«
    »Ihr seht auch gut aus …«
    Die Alte lacht laut auf.
    »Das habe ich immer an dir geliebt, Maria, deine Offenheit. Ich war früher genauso. Deshalb konnten wir auch miteinander in Verbindung treten. Wie geht es übrigens meinem Cayley?«
    »Er hat den Verstand verloren.«
    »Das ist nichts Neues.«
    »Seine Martha fehlt ihm.«
    »Das ist der Preis, den man zahlen muss, wenn man sich in eine Sterbliche verliebt. Anfangs war ich übrigens entsetzlich eifersüchtig auf sie, kannst du dir das vorstellen?
Aber ich werde ihn bald wiedersehen, und er seine Martha.«
    In ihre Erinnerungen an lange Spaziergänge im Wald versunken, bleiben die beiden alten Freundinnen eine ganze Weile schweigend sitzen. Sie lächeln, als sie erneut die Leute von Old Haven und die drei blonden Taugenichtse sehen, die mit nacktem Oberkörper am Rand des Brunnens herumgetollt sind. Dann lässt Maria ihren Tränen, die sie seit einer Weile

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