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Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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den roten Fleck auf dessen Spitze. Es ist ihm in tiefster Seele zuwider, gegen den Geist einer Verehrungswürdigen zu kämpfen, der auch in stark geschwächtem Zustand noch viel zu mächtig ist. Er richtet den Blick auf die Taschenflasche mit Whisky, die auf ihrem Tablett zu tanzen beginnt. Das dicke Glas daneben dreht und wendet sich, bis es zerbirst und die bernsteinfarbene Flüssigkeit sich über den Boden ergießt. Mit einer Handbewegung wedelt Burgh Kassam den Steward fort, der herbeigeeilt ist, um den Whisky aufzuwischen. Allmählich beruhigt sich das heftige Schlagen seines Herzens, und Wärme strömt ihm erneut in die Glieder. Durch das kleine Fenster sieht er die im Mondlicht schimmernde Fläche des Meeres. Gerade als das Flugzeug die grönländische Küste hinter sich gelassen hatte, war die Alarmmeldung in seinem Kopf losgegangen. Seit dem Start in London hatte er zerstreut in einem dicken Ordner geblättert, während er den Angriff der Obdachlosen steuerte, die Beauftragte der Stiftung durch eine Injektion dazu gebracht hatten, sich an die Fersen ihrer Beute zu heften. Das verabreichte Enzym wirkte hervorragend: Es verstärkte und beschleunigte die geistigen Fähigkeiten und
setzte in den damit Behandelten ungeahnte Kräfte frei, indem es die ansonsten ruhenden Bezirke des Gehirns aktivierte. Der Haken dabei war, dass es, wie alle übermächtigen Aufputschmittel, die Neuronen verbrannte und die Hirnhaut in Mitleidenschaft zog.
    Als Debbie ihren Fuß in das Gässchen gesetzt hatte, war Kassam in eine telepathische Verbindung mit dem Anführer der Obdachlosen getreten. Entgegen den ausdrücklichen Anweisungen der Stiftungsbeauftragten und trotz der mit der Injektion verbundenen Prämie von fünfhundert Dollar, die ihm winkte, hatte sich dieser Dummkopf volllaufen lassen, während er auf die Zielperson wartete. Das war Kassam sogleich aufgefallen, als er in dessen Gehirn eindrang, oder besser gesagt, in die Schnapsbrennerei, die bei ihm die Stelle eines Gehirns vertrat. Zwar verstärkte Alkohol die Wirkung des Enzyms, doch beschleunigte er zugleich auch den Zerstörungsprozess im Gehirn des Betreffenden. Ausschließlich diesem Umstand hatte es die Verehrungswürdige Mutter zu verdanken, dass es ihr gelungen war, über die Dächer zu entkommen.
    Mit einem dünnen Lächeln betrachtet Kassam die Schaumkronen der Wellen unter seinem Flugzeug. Wie immer war die Sache in wenigen Sekunden abgelaufen. Während er damit beschäftigt war, sein Heer willenloser Zombies zu dirigieren, hatte er nicht auf die drei weißen Umrisse auf dem Parkdeck geachtet. Kassam war mit sich vor allem deshalb so unzufrieden, weil er sicher gewesen war, sie endgültig aus dem Weg geschafft zu haben, als er sie am Ufer des Mississippi hatte verdampfen lassen. Ein Auflösungsimpuls – so etwas bereitete ihm Freude. Allerdings hatten die Hüter, wie sich zeigte, das ihnen in den Weg gelegte Hindernis umgangen und sich am Ausgang des Einkaufszentrums erneut materialisiert.
    Kassams nächster Fehler hatte darin bestanden, dass
er losgestürmt war, ohne nachzudenken. Vom eigenen Schwung mitgerissen, hatte er sich dem Wagen in den Weg gestellt und die Situation erst begriffen, als er Kano belustigt lächeln sah. Nach einem entsetzlichen Aufprall war der Anführer der Obdachlosen in einem Wirbel aus Licht und Regentropfen über das Auto hinweggesegelt. Es war Kassam gelungen, sich aus dessen Körper zu befreien, unmittelbar bevor dieser auf die Fahrbahn zurückprallte. Dann war die Verbindung abgerissen, und Kassam war in seinem Flugzeug in dem Augenblick wieder zu sich gekommen, als in seinem Gehirn eine Fülle von Meldungen einlief. Die ersten ähnelten eher einem wilden Geschrei: Ihrer Beute beraubt und durch das injizierte Enzym halb verrückt, irrten die Obdachlosen über die Parkdecks des Einkaufszentrums und stießen dabei tierische Schreie aus. Daraufhin hatte Kassam jedem einzelnen von ihnen eine tödliche Entladung zugedacht, worauf ihr Hirn seine Tätigkeit einstellte. Weitere Meldungen stammten von den anderen Obdachlosen, deren Aufgabe es war, die Aïkane zu hetzen. Nach dem großen Sprung einer von ihnen hatte Kassam seine Diener hingerichtet, um ihnen unnötiges Leiden zu ersparen. Die anderen, die sich in Bergen von Unrat verkrochen hatten, um den entsetzlichen Qualen zu entkommen, die ihr Gehirn marterten, waren dem Unwetter erlegen. Jetzt blieben nur noch die verfluchten Hüter und die Missgeburt im Fond des Wagens, auf die

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