Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Gesicht im Spiegel. Sie zieht die Nase hoch.
»Was für einen Braten hat Abby denn in die Röhre geschoben?«
»Schwein.«
»Und was gibt’s dazu?«
»Kartoffeln in Fleischsaft.«
»Kannst du mich abholen?«
»Hast du dich wieder volllaufen lassen?«
»Fast.«
»Ich komme gleich.«
Maria legt auf. Bevor sie das Badezimmer verlässt, nimmt sie die Kugel aus dem Lauf und legt die Waffe in die Trommel der Waschmaschine. Wenn sie bei den Bannermans weitertrinkt und Gardener sich nach ihrer Rückkehr erneut zeigt, ist sie bestimmt zu betrunken, als dass sie noch wüsste, wo sie ihre Glock gelassen hat. Im Wohnzimmer lässt sie sich auf das Sofa sinken und zappt sich durch alle Nachrichtensender, die als Endlosschleife Bilder der vom Orkan verwüsteten Stadt New Orleans zeigen. Das Unwetter schleudert wahre Wassergebirge auf die Stadt. Kein Meteorologe hat eine Erklärung dafür, warum der Wirbelsturm seine Geschwindigkeit so entsetzlich gesteigert hat.
Die Menschen waren noch dabei, Bretter vor ihre Fenster zu nageln, als die ersten Grundwellen das Wasser des Pontchartrain-Sees hatten ansteigen lassen. Seither erfährt man nichts mehr aus New Orleans, als sei ein Teil der Vereinigten Staaten hinter einer dichten Mauer aus Wind und Regen verschwunden. Die Fernsehteams übertragen Bilder von der Zerstörung: weggerissene Dächer, Leichen und überflutete Straßen. Gerade als Maria im Einschlafen begriffen ist, heult eine Polizeisirene auf, die sich dem Haus nähert. Sie seufzt. Es hat Bannerman schon immer ein kindisches Vergnügen bereitet, seine verdammte Sirene jaulen zu lassen.
TEIL VIER
DAS HEILIGTUM
1
La Mesa del Diablo, in der mexikanischen Sonora-Wüste
Ein Flüsschen. Silbrige Fische steigen an die Oberfläche, schnappen nach Insekten, die dem Wasser zu nahe gekommen sind, und kehren dann in die Tiefe zurück. Unmittelbar bevor sich der Fischer im Gras ausstreckt, hat er seine Angelschnur in die Strömung gehängt. Mehrere fette Forellen zappeln bereits in seinem Korb. Mit geschlossenen Augen greift er nach der Bierflasche, die neben ihm steht. In dem Augenblick, als er sie an den Mund setzen will, zerfällt sie ihm zwischen den Fingern zu Staub.
Der Archäologe Gordon Walls öffnet die Augen. Ungläubig betrachtet er die Handvoll roten Sand in seiner Hand. Das Flüsschen ist verschwunden. An seiner Stelle erstreckt sich ein unterirdischer Wasserlauf unter den Klippen der Mesa del Diablo.
Vor Fieber und Durst zitternd, fährt sich Walls mit der Zunge über die Lippen. Er hebt den Blick. Weit über sich erkennt er die Spalte zwischen den Bergflanken, durch die das Sonnenlicht senkrecht herabfällt. Eine Falle der Apachen. Gerade als er die freie Fläche zwischen den steilen Felswänden im Inneren der Mesa erkunden wollte, hatte der Boden unter seinen Füßen schlagartig nachgegeben. Ein Aufschrei, ein schwindelerregender Sturz, bis die an der nahezu senkrecht abfallenden Wand befestigten Karabinerhaken das Seil hielten und er über der Leere hing. Er hatte ein Geräusch gehört, ein Scharren. Cassys und
Paddys Schuhe, die durch den Staub der Mesa gerissen wurden, während ihn die Mitglieder seiner Seilschaft vergeblich zu halten versuchten. Er hatte gesehen, wie sich das Licht seiner Taschenlampe unter ihm entfernte und dann verschwand.
Während er über der Leere hing, hatte er Rufe gehört, das Pfeifen des Seils, das durch die Hände glitt. Dreißig Meter freier Fall, bis die Bremskarabiner griffen. Ein Körper war an ihm vorbeigestürzt, hatte ihn dabei gestreift. Im Licht der Stirnlampe hatte er Paddy erkannt, den zweiten Mann der Seilschaft. Er schrie. Vermutlich hatte er sich ausgeklinkt, um das Seil an einem Felsen neu zu belegen. Walls sieht sein entsetztes Gesicht und seine Hände, die in der Luft rudern, wieder vor sich. Dann hatte er über sich Rufe gehört. Cassys Stimme. Sie konnte nicht mehr. Sie hatte ihm zugerufen, dass sie sich in einer Felsspalte, in der sie eingekeilt war, beide Oberschenkel gebrochen habe. Das Sicherungsseil hatte ihr zwei Finger abgeschnitten. Sie hatte sich loszumachen versucht, es aber nicht geschafft. Jetzt schreit sie unaufhörlich, während Walls mit seinem Gewicht an ihr zerrt.
Walls hatte versucht, seine nähere Umgebung mit der Stirnlampe zu erkunden. Die Öffnung in der Gesteinsformation hatte die Gestalt einer riesigen Kuppel. Unmöglich, ihre gekrümmten Wände zu erreichen, nicht einmal dann, wenn er sich ans unterste Ende des Seils gehängt
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