Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
Vom Netzwerk:
schmuddeligen Hotelzimmer auf die Ankunft der anderen Mitglieder seiner kleinen Expedition wartete, hatte er sich die ihm von Clayborne übersandten Dokumente vorgenommen. Während er den von Gummibändern zusammengehaltenen mächtigen Papierstapel gründlich durchging, hatte er literweise Eistee getrunken. Bei zugezogenen Vorhängen hatte er mit Heftzwecken Karten der Wüste, Satellitenaufnahmen und eine Reihe von Skizzen an die Wände geheftet – Kopien der in den kivas der Apachen entdeckten Fresken.
    Die erste Szene zeigte einen See. Als Hinweis darauf, dass er tief und sein Wasser kalt war, hatten die Schamanen ein tiefdunkles Blau verwendet. Die umgebenden Felsen waren mit glänzendem Schwarz bedeckt, das wie Schuhcreme schimmerte. Walls nahm an, dass die Szene den Ursprung der Welt inmitten der Finsternis zeigen sollte. Solche Darstellungen fanden sich noch auf zahlreichen Seekarten aus der nicht allzu fernen Vergangenheit, als man annahm, die Erde sei eine Scheibe und um das alte Europa herum gähnten am Rande der Meere unendlich tiefe Abgründe.
    Auf den nächsten Abbildungen wurde aus einem Wasserfall, der dem See entsprang, nach und nach ein breiter Fluss, der fruchtbare Landstriche durchquerte, bevor er ins Meer mündete. Nach mehreren Vergleichen hatte Walls schließlich erkannt, dass damit der Lauf des Mississippi gemeint war, von dem der Konquistador Francisco Väsquez de Coronado zur Entstehungszeit jener Fresken erst einzelne Abschnitte erforscht hatte. Allerdings hatten
die Schamanen nicht nur einige Windungen des Flusses dargestellt, sondern die Gesamtheit seines Laufs über mehr als dreitausend Kilometer von den Saint-Antoine-Wasserfällen im heutigen Minneapolis bis zum Golf von Mexiko. Zwar wusste man, dass die Indianer in der Zeit vor Kolumbus bereits bestimmte Teile des Flusses als Wasserstraße nutzten, hatte aber nie die geringsten Hinweise darauf entdeckt.
    Als Nächstes hatte Walls die auf der Abbildung gezeigten Windungen auf seinem Notebook eingegeben, um sie mit dem heutigen Verlauf des Mississippi zu vergleichen. Auf diese Weise hoffte er festzustellen, auf welchen Zeitraum sich diese Fresken bezogen. Die Kehle war ihm trocken geworden, während er zusah, wie sich das blaue Band des Mississippi über den Bildschirm wand, nachdem die Prozessoren die entsprechenden Perioden berechnet hatten. Die Augen waren ihm förmlich aus dem Kopf getreten, als er das Bild des Mündungsdeltas vor sich sah. Es lag sehr viel weiter im Osten als heute, und die bogenförmige Gestalt der Altwasser, die immer dann entstanden waren, wenn sich eine Schlinge des Flusses auf natürliche Weise schloss, sobald er seinen Lauf änderte, zeigte, dass sich die Abbildung auf die mittlere Altsteinzeit bezog, das heißt, auf einen Zeitraum, der hundertfünfzigtausend Jahre zurücklag. Die bis dahin gefundenen Hinweise hatten lediglich auf eine Besiedlung der Ufer des Mississippi vor maximal elftausend Jahren schließen lassen. Das ließ nur die Schlussfolgerung zu, dass es sich dabei entweder um die monströseste wissenschaftliche Ente des Jahrhunderts handelte oder tatsächlich prähistorische Lebewesen in ferner Vergangenheit die Ufer des Flusses besiedelt hatten – und das zu allem Überfluss in Gestalt einer Zivilisation, die hinreichend weit entwickelt war, um dessen Lauf nicht nur dreitausend Kilometer weit zu verfolgen, sondern auch
noch eine genaue Darstellung davon anzufertigen. Falls es sich so verhielt, konnte das nur bedeuten, dass ihnen der Mississippi für eine ungeheuer wichtige Aufgabe diente, denn nur dann ließe sich eine solche Titanenarbeit rechtfertigen – es sei denn, sie hätten in ihm eine Art Gottheit gesehen, ähnlich den Algonkin-Indianern, die ihm Namen wie Misi Sipi gegeben hatten, was in ihrer Sprache so viel bedeutet wie »der breite Strom« oder wie die Sioux, die ihn Ne Tongo, »den großen Fluss« nannten. Bereits vor ihnen hatten ihm die Mound Builders, eine geheimnisvolle präkolumbianische Zivilisation, die zwischen dem Becken des Mississippi und der Ostküste des Kontinents riesige Grab-Tumuli errichtete, den Namen Meschacebe gegeben, »Vater aller Ströme«.
    Noch beunruhigender fand er, dass Petroglyphen am ganzen Flusslauf bestimmte Örtlichkeiten hervorhoben. Das erste dieser Felsbilder zeigte eine Stelle südlich des heutigen Minneapolis am Zusammenfluss von Mississippi und Minnesota. Es bestand aus zwei goldgelben Halbmonden, zwischen denen eine blaue Schlangenlinie

Weitere Kostenlose Bücher