Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Handschuhe in den dafür vorgesehenen Abfallbehälter. Mit einem letzten Blick auf die mumifizierte Leiche, die ihn durch die Glaswand zu fixieren scheint, verzieht er das Gesicht: »Schmeißt das in die Wüste.«
6
Im untersten Tiefgeschoss des Stützpunkts stellt sich Burgh Kassam auf die Wiegeplattform unmittelbar vor der gepanzerten Tür zu seinem Privatlabor. Die in den Wänden eingelassenen Kameras tasten ihn aus allen Richtungen ab. Nach dem Ende des biometrischen Erkennungsprozesses ertönt aus einem Lautsprecher die synthetische Stimme des Rechners, dem er den Namen Kassandra gegeben hat: »Guten Tag, Mr. Kassam. Sie haben seit dem letzten Wiegevorgang vierhundert Gramm abgenommen. Ihr Blutzuckerspiegel ist zu niedrig. Sie werden noch vor elf Uhr an Unterzuckerung leiden. Die anderen Werte sind in Ordnung. Auf weitere Ergebnisse wird gewartet.«
»Sieh zu, dass du mir diesmal gute Nachrichten lieferst.«
Dann öffnet sich die Tür. Der Raum, den er jetzt betritt, enthält trockene, frische Luft. Leuchtstoffröhren schalten sich ein und vertreiben die Dunkelheit. Vierhundert Quadratmeter für einen einzigen Benutzer. Sein geheimer Schlupfwinkel. Dort ist es ihm gelungen, das Arsenal zu schaffen, mit dessen Hilfe er der Macht der Verehrungswürdigen Paroli bieten kann.
Als Erstes hatte er aus der prähistorischen DNA der beim Manhattan-Projekt entdeckten Mumie Substanzen gewonnen, die er »Mentalbeschleuniger« nannte und die das Verstehen und die logischen Fähigkeiten verbesserten. Außerdem besonders stark wirkende Mittel zur Steigerung der Körperkräfte und der Ausdauer, sozusagen vorgeschichtliches Doping. Allerdings war das im Vergleich mit den Substanzen der zweiten und dritten Generation letzten Endes Kinderkram. Das galt vor allem für seine Kombination 7 und die folgenden, mit denen es ihm gelungen war, in Bereiche des Hirns vorzustoßen, welche die übernatürlichen Fähigkeiten der Verehrungswürdigen steuerten. Sie enthielten Substanzen, die als supra-kognitive Beschleuniger wirkten.
Gerade als er den Panzerschrank öffnen will, der Proben aller von ihm entwickelten Kombinationen enthält, meldet sich Kassandra erneut: »Die vollständigen Ergebnisse der Versuchsperson sind jetzt abrufbar. Sieben Gehirntumore. Vier weitere sind im rechten unteren Lungenlappen im Entstehen begriffen. Die entsprechenden Kombinationen müssen injiziert werden. Die gestern erkannten frontalen und temporalen Tumore bilden sich zurück. Ihr Leberkrebs ist geheilt. Ihnen bleiben sechs Stunden für die Injektionen zur Neutralisierung der jüngsten Tumore.«
Kassam verzieht das Gesicht. Das ist das Ärgerliche an seinen Ergebnissen: Zwar setzen die von ihm gewonnenen
Mittel ungeahnte Fähigkeiten des Organismus frei, rufen aber zugleich Tumore hervor oder lassen sie beschleunigt wachsen. Ganze Trauben von Tumoren, die anschwellen und wie Furunkel aufplatzen.
»Kassandra?« »Ja?« »Bist du sicher, dass es sich bei den Gehirntumoren nicht um Tochtergeschwülste des Lungen-CA handelt?«
»Absolut sicher. Die Schädigungen des Lungengewebes haben sich noch nicht zum Karzinom entwickelt.«
Kassam zieht eine immunisierende Spritze auf, die er sich in die Vene injiziert. Das Mittel tötet die Krebszellen ab. Er verzieht das Gesicht, als es heiß in seine Adern strömt. Er fühlt sich allmählich besser. Die entsetzliche Migräne, die seit dem frühen Morgen in seinen Schläfen tobt, weicht in dem Maße, in dem sich die Gehirntumore auflösen. Er tritt zwischen die Zweierreihen von Labortischen. Auf jedem von ihnen steht ein großer Kunststoffbehälter ähnlich einer Karaffe, durch den elektrische Leitungen laufen. Als er einen von ihnen mit den Fingerspitzen berührt, verformt sich die Wandung: Sie besteht aus Zellmaterial, ist zugleich weich und unglaublich widerstandsfähig. Dieses von der Natur geschaffene ölige Material hat ihn stets fasziniert. In den tiefsten Tiefen der Weltmeere, wo der Druck so hoch ist, dass er das Metall einer Tauchkugel wie Papier zerfetzen würde, können Einzeller ausschließ lich dank der unglaublichen Widerstandskraft ihrer Membran überleben.
Kassam zieht seine Finger zurück und sieht zu, wie das Gefäß allmählich in seine Ausgangsform zurückkehrt. Es enthält eine von ihm nachgebildete intrazelluläre Flüssigkeit, in der sich Proteine und RNA-Polymerasen befinden. Nachdem er die DNA der Mumie in diese Lösungen eingebracht hatte, genügte es, mithilfe von Elektroden ein
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