Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Magnetfeld zu erzeugen, um zu erreichen, dass die Pseudozelle
aktiv wurde und die Proteine die genetischen Sequenzen auszulesen begannen. Wie ein lebender Organismus enthalten diese als »Golgi-Vesikel« bezeichnete Gefäße Proteine, von denen jedes jeweils eine einzige spezifische Sequenz dieser DNA liest. Millionen gehorsamer Dienerinnen, die das Hin und Her zwischen den DNA-Fäden und dem Montageband zur Produktion von Zellen immer wieder vollführen.
Kassam hatte einmal bei einem Vortrag anlässlich eines Tags der offenen Tür im Caltech versucht, einer Gruppe von Kindern den Mechanismus des Auslesens der DNA zu erklären. Er verabscheute Kinder. Was ihn betraf, waren sie dumm, ziemlich tückisch und rochen schlecht. Doch es begeisterte ihn, ihnen komplizierte Sachverhalte zu erklären, und er genoss den Augenblick, da ihre Augen aufleuchteten und ihr Gehirn mit einem Mal dem Kauderwelsch, das sie da hörten, einen Sinn abgewann. Vielleicht ging es bei Intelligenz um nichts anderes: nicht um das Begreifen an sich, sondern um das Empfinden, etwas verstanden zu haben.
An jenem Tag hatte ihn ein kleiner Einfaltspinsel mit Brille gefragt: »Wie funktioniert eigentlich so’ne Zelle?«
In seiner Hilflosigkeit gegenüber der seiner Ansicht nach dummen Frage hatte sich Kassam an die Antwort erinnert, die Einstein einst einem Journalisten gegeben hatte, als dieser ihn aufforderte, die atomare Kettenreaktion so zu erklären, dass die Leser der Kinderzeitschrift, für die er arbeitete, sie ohne Weiteres verstehen könnten. Nach kurzem Überlegen hatte Einstein den Mann aufgefordert, sich einen Raum von dreißig Quadratmetern vorzustellen, dessen Boden vollständig mit Hunderten von Mausefallen bedeckt ist. Als Nächstes solle er sich vorstellen, dass jemand einen Golfball in den Raum wirft und dann rasch die Tür schließt. Als Einstein sah, dass in den Augen des Mannes
ein Anflug von Verständnis aufschimmerte, während dieser vor seinem inneren Auge sah, wie der Golfball auf die erste Falle traf, die ihn beim Zuschnappen an die nächste weiterbeförderte, und so weiter, hatte er hinzugefügt: »Und jetzt stellen Sie sich vor, dass der Raum eine Million Quadratkilometer groß ist und jede zuschnappende Falle eine unglaubliche zerstörerische Energie freisetzt – dann haben Sie eine atomare Kettenreaktion.«
Kassam war sicher, dass der Mann genau in dem Augenblick die Augen weit aufgerissen hatte, als ihm aufgegangen war, dass das Auslösen einer Kettenreaktion nichts ist verglichen mit der Schwierigkeit, sie so zu beherrschen, dass man sie auch zum Stillstand bringen kann. Daran hatte er beim Anblick des kleinen bebrillten Rotzbengels gedacht, der auf seine Antwort wartete. Als Erstes hatte er einen Kreis an die Tafel gezeichnet und in ihn hinein ein Strichmännchen, das vor einem Kontrollbildschirm in einem Sessel sitzt. Dann hatte er sich den Kindern zugewandt und gesagt: »Das ist das Innere einer Zelle. Eine Zelle ist so etwas wie eine Fabrik. Stellt euch einen Mann vor, der in dieser Fabrik arbeitet und dessen einzige Aufgabe darin besteht, auf einen Bildschirm zu schauen, über den eine Mitteilung läuft, die nur er verstehen kann. In dieser Hinsicht ist er klüger als die anderen. Man nennt diesen Mann RNA-Polymerase, und die Mitteilungen, die über den Bildschirm laufen, DNA-Sequenzen oder Basensequenzen. Diese Sequenzen müsst ihr euch etwa wie Bauklötze vorstellen. Es gibt vier verschiedene Bauklötze, die man Basen nennt, und jeder von ihnen enthält eine andere Botschaft. Der ›Mann‹ überträgt diese Information, also die Information über die Abfolge der Bausteine, auf ein Blatt Papier. Dieser Vorgang heißt Transkription. Wenn das ›Blatt‹ voll ist, schickt er es nach unten in den Steuerraum der Fabrik. Dort können die ›Ingenieure‹ die Botschaft lesen und übersetzen, aber jeweils
nur eine Dreiergruppe. Diese aufeinanderfolgenden Dreiergruppen nennt man Codone. Ein aus mehreren aufeinanderfolgenden Codonen bestehendes Gebilde wird als ›Gen‹ bezeichnet. Die Ingenieure der Fabrik heißen Transfer-RNA. Sie lesen nichts anderes als m-RNA, auch Boten-RNA genannt. Das geschieht im ›Lager‹, das alle verfügbaren Montageteile enthält. Nachdem der Mann sein Blatt abgeliefert hat, kehrt er an seinen Platz zurück, um eine weitere Sequenz zu entziffern und eine neue Boten-RNA abzufassen, die er an die Ingenieure übermittelt.«
»Heißt das, das ist wie in einer Autofabrik?«
Kassam hatte
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