Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Parkplatz und die Nacht, die so schwarz ist, als seien alle Lampen und Leuchtkörper der Stadt im selben Augenblick ausgefallen.
Ein Geräusch lässt ihn zusammenzucken. Er wirft einen
flüchtigen Blick über die Schulter. Hinter ihm nähern sich von ferne Gestalten. Ihre Gesichter sind im bleichen Licht der Notbeleuchtung schwach zu erkennen. Verdreckte Obdachlose. Sie entblößen ihre ungepflegten Zähne zu einem boshaften Lächeln. Manche hinken, andere ziehen das Bein nach. Ihr Geruch eilt ihnen voraus. Ein hochgewachsener Schwarzer, der einen Militärparka und eine Wollmütze trägt, scheint der Anführer zu sein. Hinter ihm bilden Greise eine Art Schutzwall um eine füllige Frau in einem Jogginganzug mit hellen Seitenstreifen, die einen Einkaufswagen voller Müllsäcke hinter sich herzieht. Walls hört ihre Gedanken, die voller Alkohol und Hass sind. Die atemlose Stimme der Dicken unterbricht die Stille. Es ist die Stimme einer Irren: »Walllsss, komm und küss mich, mein Schatz.«
Die anderen brechen in lautes Gelächter aus. Unter wütendem Knurren holen sie auf. Quietschend öffnen sich die Türen. Walls stürzt hinaus und eilt auf die verlassenen Parkplätze zu, in Richtung auf den weit entfernten einzigen noch funktionierenden Lichtmast. Wie einen Nachtfalter zieht ihn der Lichtfleck darunter an, der den Asphalt zwischen den Reihen der dort abgestellten Autos erhellt. Ihm ist klar, dass der Erzfeind genau das will, aber er möchte möglichst viel Abstand zu den Obdachlosen gewinnen, die jetzt ihre Gesichter an die Scheiben pressen.
Jetzt hat er den Lichtmast erreicht. Ein schwerer Wagen der Luxusklasse kommt mit ausgeschalteten Scheinwerfern langsam näher und bleibt am Rand des Lichtflecks stehen. Walls spürt Neeras Anhänger auf seiner Haut und merkt, dass die Bernsteinperle immer schwerer und immer wärmer wird. Erneut ertönt die Stimme seines Großvaters in seinem Kopf: »Ganz ruhig, Gordon. Du brauchst keine Angst zu haben. Die da kommen, sind wie schwarze Löcher. Sie saugen Energie auf. Je mehr du zitterst, desto
mächtiger sind sie. Hast du das kapiert, oder bist du zu blöd dazu?«
Walls zwingt sich, ruhig zu atmen. Die Türen des Wagens öffnen sich. Vier Männer in langen schwarzen Ledermänteln steigen aus. Die grauen Kapuzen von Trainingsanzügen verbergen ihre Gesichter. An ihrem Gürtel, in dem jeder eine Automatik stecken hat, sieht Walls amtliche Abzeichen blitzen, so etwas wie die metallenen Dienstmarken von Polizisten. Ihre Gedanken sind kalt wie Stein. Bilder aus der Kaktuswüste, von Geröllfeldern, auf die heiß die Sonne brennt. Sie sind einige Schritte entfernt stehen geblieben. Ihr Anführer heißt Prescott. Das ist sein Name von früher, als er nichts als ein Mensch war. Eine tiefe, wohlklingende Stimme kommt unter der Kapuze hervor und fragt: »Dr. Gordon Walls? Wir sind gekommen, um abzuholen, was Sie in der Wüste gefunden haben. Geben Sie es uns, und Ihnen wird nichts geschehen.«
Walls spürt, wie Neeras Anhänger auf seiner Haut brennt, während er langsam auf die Männer in Schwarz zutritt. Er sieht, wie der Anführer die Hand im Halbdunkel ausstreckt. Er schluckt tief, beugt sich vor und spuckt in Prescotts offene Handfläche. Mit einem Seufzer wischt der Mann in Schwarz sie langsam an seinem Mantel ab.
»Stark, Dr. Walls. Viel zu stark für Sie.«
Walls lächelt. Er muss an die unglaubliche Kraft denken, mit der sich sein Geist nach dem Kinnhaken des stämmigen Harold entladen hatte. Die gleiche Welle von Hitze und Kraft beginnt sich jetzt in ihm auszubreiten, wie der Strom in einem Hochspannungskabel. Es knistert um sein Gesicht und seine Haare herum. Es kribbelt um seine Arme und seine Hände, die er auf die Männer in Schwarz richtet. Der Geruch nach verbrannten Haaren steigt ihm in die Nase. Mit lautem Bersten platzen die Lampen des Lichtmasts. Unter dem Hagel aus Glassplittern, der um
ihn herum niedergeht, schließt Walls die Augen. Mit einem Schlag leert sich sein Kopf, als die Schwingungen seinen Körper verlassen. Er hat keine Angst mehr. Er fühlt sich wohl. Er ist die Macht.
7
Maria sieht auf die Wasserfluten, die auf ihre Windschutzscheibe prallen. Sie stürmen derart heftig dagegen an, dass die Scheibenwischer so gut wie nichts bewirken. Von Zeit zu Zeit nötigt ein Windstoß sie, die Fahrt zu verlangsamen. Sie umklammert das Lenkrad. Schon seit Stunden fährt sie über die Fernstraße 55 in Richtung New Orleans. Seit unmittelbar südlich von
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