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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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neben das Wasser und trat einige Schritte zurück. Die Katze blieb vor dem Kühlschrank sitzen.
    »Komm. Lecker. Lecker.«
    Die Katze machte keinerlei Anstalten, sich vom Kühlschrank wegzubewegen. Tessa sah in ihr ägyptisches Gesicht und wusste, dass sie nichts fressen würde. Panik stieg in ihr auf. Hätte sie das Futter im Wasserbad erwärmen sollen? Patricia hatte nichts davon gesagt, dass man Feuchtfutter erwärmen musste. Vielleicht dachte sie, es wäre eine Selbstverständlichkeit. Tessa setzte sich auf den Boden und stellte den Napf mit dem Kaninchenkalb in ihren Schoß. Leise schlug sie den Löffel gegen das Metall.
    »Komm«, sagte sie schmeichelnd. »Komm.« Sie tauchte den Löffel in das Fleischgelee und hielt ihn der Katze hin. Die Katze starrte sie an, ohne sich zu bewegen.
    »Mmh. Das ist fein.«
    Die Katze rührte sich nicht.
    »Mmh. Schau. Mama nimmt auch ein Löffelchen.« Und mit einer Bewegung, die ihr ganz natürlich erschien, führte Tessa den Löffel zum Mund.
    Seit achtundvierzig Stunden hatte sie nicht mehr geschlafen. Sie hatte das Gefühl, nie wieder schlafen zu müssen.
    Um kurz vor sechs ging Tessa ins untere Stockwerk. Mara Stein öffnete nach dem ersten Klopfen. Entweder hatte die Psychologin ebenfalls nicht geschlafen, oder sie war schon eine Weile wach.
    »Guten Morgen, Frau Simon«, sagte sie. »Haben Sie sich ein wenig ausruhen können?«
    Tessa musterte die Frau. Sie trug dieselbe weiße Baumwollhose wie gestern, dasselbe rote Hemd, beide Kleidungsstücke waren zerknittert. Sie hatte also doch geschlafen.
    »Etwas ist nicht in Ordnung. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen. Vielleicht ist gestern bei dem Schlag doch etwas passiert. Ich würde gern ins Krankenhaus fahren.«
    »Sie hätten sich gestern gleich untersuchen lassen sollen«, sagte die Psychologin. Tessa hörte mehr Anteilnahme als Vorwurf. »Kommissar Kramer muss jeden Augenblick da sein. Er kann Sie ins Krankenhaus bringen.«
    »Das ist doch nicht nötig«, wehrte Tessa ab. »Ich rufe mir ein Taxi.«
    »Sie sollten nicht allein sein in diesen Tagen.« Die Psychologin zog den Bauch ein, um das zerknitterte Hemd in die zerknitterte Hose zu stecken.
    »Ich komme schon zurecht. Kommissar Kramer hat doch garantiert wichtigere Dinge zu tun, als mich in der Stadt herumzufahren.«
    »Er wird sich ohnehin mit Ihnen unterhalten wollen.«
    Tessa spürte ein Zittern, das in der Brust begann und bis in die Fingerspitzen wuchs.
    »Es ist gut, dass ich den Wagen schon mal kennen lerne. Falls es zu einer Geldübergabe kommt, kann es sein, dass ich ihn noch öfter fahren muss.« Kommissar Kramer wartete, bis sich das Rollgitter, das die Tiefgarage gegen die Außenwelt schützte, geöffnet hatte. Tessa saß auf dem Beifahrersitz und nickte. Ein Beamter hatte den Wagen gestern Abend vom Park hergebracht. Es war das erste Mal, dass sie in ihrem eigenen Wagen auf dem Beifahrersitz saß.
    »Glauben Sie denn, dass es dem Entführer um Geld geht? Hätte er sich dann nicht längst schon melden müssen?«
    »Das ist schwer zu sagen.«
    Endlich hatte sich das Rollgitter vollständig geöffnet, Kommissar Kramer schlich aus dem Dunkel ins sommerhelle Licht hinaus. Zwei Beamte in Uniform standen auf dem Kopfsteinpflaster und grüßten. An der Hofeinfahrt entdeckte Tessa zwei weitere Beamte.
    Sie waren bis zur nächsten Ecke gefahren, wo die Sackgasse die größere Querstraße traf, als eine jähe Bewegung vor der Windschutzscheibe Tessa aufschreien ließ. Kommissar Kramer machte eine Vollbremsung, Tessas rechter Fuß stemmte sich eine Zehntelsekunde später gegen den Boden. Ein Mann war von der Seite vor den Wagen gesprungen, er hob etwas Dunkles, Langes. Ein Überfall. Erst im zweiten Moment erkannte Tessa den Fotografen und seine Kamera. Sie schaute sich um. Drei weitere Männer mit Kameras kamen aus dem Hofeingang eines anderen, nur halb renovierten Fabrikgebäudes gelaufen.
    »Geben Sie Gas!« Tessas Stimme war schrill. »Die Hupe ist in der Mitte!«
    Das Fenster auf der Fahrerseite senkte sich zügig. Kommissar Kramer streckte seinen Kopf hinaus.
    »Packen Sie bitte sofort die Kamera weg. Andernfalls müssen wir das Filmmaterial beschlagnahmen.« Der Satz kam gelassen ermahnend, antiautoritär. Wie ein Lehrer, der seine Bengels auf dem Schulhof zum zigten Mal dabei erwischte, wie sie mit kiesgefüllten Coladosen kickten.
    Der Fotograf schwenkte sein Objektiv von Tessa auf den Kommissar. Die anderen Fotografen hatten aus größerem Abstand zu

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