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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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erinnern sollte, dass Katharina ihnen wegen der Kariesbakterien doch verboten hatte, von Victors Löffel zu essen, dann ließ sie es bleiben.
    Schau dir das an. Was die für ein Glück hat
.
    Tessa konnte es nicht hören, aber es mussten die Worte sein, die die Kellnerin dem jungen Mann hinter dem Tresen zuraunte.
    Victor machte Bäuerchen, und wenige Minuten später war er an Sebastians Schulter eingeschlafen. Tessa spürte, wie die Müdigkeit langsam auch in ihr emporkroch. Um nach Hause zu kommen, mussten sie noch über eine Stunde fahren. Das Feuer. Die Flammen. Wenn sie die Augen schloss, glaubte sie, Stimmengewisper aus dem Kamin zu hören.
    Bist du schon da gewesen?
    Mein Knispel ist ein einsamer Gesell.
    Dreißig bunte Hühner hat sie gestern Nacht gestochen
.
    »Ich muss dir was sagen.«
    Tessa fuhr zusammen. Sie war auf dem Stuhl nach vorn an die Kante gerutscht, ihr Kopf gegen die hohe Lehne zurückgesunken. »Entschuldigung.« Sie gähnte und setzte sich gerade.
Knispel. Was für ein Unsinn
.
Das musste sie in den Büchern dieser blöden Kinderbuchautorin aufgeschnappt haben
. »Was hast du gesagt?«
    »Ich –« Mit der rechten Hand streichelte Sebastian Victors Hinterkopf, seine Augen folgten den Linien, die die Fingernägel seiner Linken ins Tischtuch gravierten.
    »Ja?« Ein Kribbeln durchlief ihren Körper, als wäre er eingefroren und würde in heißem Wasser zu schnell wieder aufgetaut. Etwas stimmte nicht. Seitdem sie den Gasthof betreten hatten.
Bitte, bitte, lass es nicht

    »Ja?«, sagte sie noch einmal.
    »Ich habe ein Angebot bekommen. Für einen Film.«
    Das Kribbeln löste sich langsam auf und wurde zu einem schwachen Kitzeln. »Aber das ist doch wunderbar.« Sie lächelte aufmunternd.
    »Es ist ein Regieangebot.«
    Tessa brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, was die Nachricht bedeutete. Regie. Einen eigenen Film machen. Den ersten eigenen Film machen. Verantwortung übernehmen. Sechzehn Stunden Dreharbeiten am Tag. Sie starrte Sebastian an. Plötzlich war ihr schrecklich heiß. Sie griff nach dem Saum ihres dicken schwarzen Rollis und zerrte ihn über den Kopf. Mit dem Fingernagel, der vorhin beim Schneegebalge eingerissen war, blieb sie in einer Masche hängen, eine Schlaufe zog sich heraus. Der Pulli hatte so viel gekostet wie ein kleiner Gebrauchtwagen.
    »Ich habe mir schon gedacht, dass das für dich nicht leicht ist«, sagte Sebastian. Auf seiner Stirn tanzten die Schatten der Weihnachtsgirlanden, die am Kaminsims hingen.
    Du hättest es sehen müssen!
    Zig Halbsätze, die Sebastian in den letzten Wochen, Monaten gesagt hatte, die vielen Termine in der Stadt, Andeutungen, die sie nicht verstanden hatte, alles ergab plötzlich einen Sinn.
    »Wann soll es losgehen?« Es gelang ihr, die Stimme ruhig zu halten.
    »Anfang April«, sagte Sebastian.
    Sie sah ihn vor sich, wie er an jenem tränenschweren Montag, an dem es um Leben und Tod gegangen war, mit ihr auf der Terrasse gesessen hatte:
Ich werde mich ändern. Meinen Beruf mache ich schon so lange, es bedeutet mir nichts, auf eine oder zwei Produktionen im Jahr zu verzichten. Ich will dieses Kind. Und ich werde für dieses Kind da sein
.
    »Hast du schon unterschrieben?«
    »Nein. Ich … Ich wollte erst mit dir darüber reden.«
    »Wie lange weißt du schon von dem Angebot?«
    »Im November hat mich Krossmeier – du weißt, der Produzent, der
Herbstsommer
gemacht hat – im November hat er mir gesagt, dass er jetzt überraschend doch Fördermittel für den Film bekommen kann.«
    Überraschend
. Beinahe hätte sie gelacht. Das Angebot musste älter sein als Victor.
    »Geht es um die Geschichte, von der du mir mal erzählt hast?«
    »Ich weiß jetzt nicht, welche –«
    »Die Sache mit dem jüdischen Schauspieler.«
    »Jüdischen Schauspieler? Du meinst:
Da geht ein Mensch
. Nein, das hatte ich nie für einen Film vor, das hätte ich nur für ein Theaterprojekt gedacht. Es geht um Gedichte.«
    »Gedichte?« Jetzt griff sie in die Schale mit dem Weihnachtsgebäck, der sie die ganze Zeit widerstanden hatte.
    »Die Idee ist mir vor zwei Jahren gekommen, damals, als ich die CD mit den Liebesgedichten aufgenommen habe.«
    »Du willst einen Film über Liebesgedichte drehen?« Der Zimtstern war älter und härter, als er ausgesehen hatte. Tessa legte das angebissene Gebäck auf ihre Untertasse. Und griff wieder danach.
    »Nein, nicht nur. Alles Mögliche. Balladen. Naturgedichte. Aber bei dieser CD habe ich wieder gemerkt, wie sehr

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