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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Kniekehlen so lange, bis er zu Boden ging und sie mitriss.
    In seinem weißen Schneeanzug mit dem Pelzbesatz saß Victor auf dem Schlitten und juchzte.
    »Hast du gesehen?«, rief Sebastian außer Atem. »Er hat in die Hände geklatscht. Victor hat zum ersten Mal geklatscht.«
    Tessa versuchte, ihren Kopf zu drehen. Schnee klebte in ihren Wimpern, sie leckte sich über die kalten Lippen. »Wenn du so auf mir sitzen bleibst, seh ich außer deinen breiten Schultern gar nichts.«
    Sebastian neigte sich zur Seite, nicht ohne ihr vorher noch eine Ladung Schnee in den Kragen zu stopfen.
    »Hiiiilfe!« Mit beiden Fäusten trommelte Tessa auf ihn ein. »Victor! Hiiiilfe!« Ihr Sohn krähte begeistert.
    »In drei Jahren macht Victor Hackfleisch aus dir, wenn du mich noch einmal so einseifst.«
    »In drei Jahren seifen wir dich gemeinsam ein.«
    Sie balgten sich wie einjährige Schneeleoparden. Die Welt war in den Stand der Unschuld zurückgekehrt. Die einfachsten Dinge wurden Glück. Victor, der staunte, wenn Sebastian vor seinen Augen einen Schneeball formte und ihn wieder fallen ließ. Victor, der lachte, wenn Sebastian sich unter eine Tanne stellte, und Tessa dem Baum einen Stoß gab, sodass sein Vater in einer Schneewolke verschwand.
    Ihre Gesichter glühten, als sie mit Beginn der Dämmerung in dem kleinen Landgasthof neben dem Parkplatz, auf dem sie Tessas Mercedes geparkt hatten, einkehrten. Sie klopften den Schnee von ihren Moonboots und stellten den Schlitten neben die Tür. In dem großen Kamin am Ende des Raumes brannte Feuer, sie setzten sich an den kleinen Tisch links davon, die Kellnerin brachte Tee und Weihnachtsgebäck, Tessa gab ihr ein Gläschen Vollmilch-Getreide-Brei zum Erwärmen mit. Sie setzte Victor auf ihren Schoß.
    »Siehst du das Feuer? Ja, Feuer. Da darf man nicht reinfassen. Heiß. Ganz heiß.«
    Victor streckte beide Arme den Flammen entgegen.
    »Das tut gut.« Tessa schloss die Augen und hielt ihr vor Kälte rotes Gesicht in Richtung Kamin. »Wenn Victor aus dem gefährlichen Alter raus ist, müssen wir uns auch einen Kamin zulegen. Apropos.« Sie schaute Sebastian an, der, seitdem sie den Gasthof betreten hatten, schweigsam geworden war. »Wo hast du eigentlich die Babysicherungen für die Steckdosen hingepackt? Ich habe sie überall gesucht. Katharina meint, es wird langsam Zeit, dass wir die Wohnung sichern.«
    »Oh verdammt.« Sebastian verzog das Gesicht.
    »Was ist?«
    »Ich versprech dir, ich denk gleich morgen daran.«
    »Aber du hast doch gesagt –«
    »Das war dumm von mir. Ich habe es an dem Nachmittag nicht mehr geschafft, in den Laden zu gehen, und dann habe ich es mir ganz fest für den nächsten Tag vorgenommen, aber dann – ich weiß nicht, wieso ich es dann plötzlich vergessen habe. Es war dumm von mir.«
    Tessa schaute Sebastian an, so als wolle sie etwas erwidern, dann lächelte sie und streichelte Victor über den Kopf. »Das macht nichts. Noch ist ja genug Zeit. Nicht wahr, Hampelmann? Das dauert noch ein bisschen, bis du die Wohnung unsicher machst.« Bei den letzten Sätzen hatte sie angefangen, Victor wie beim
Hoppe-Reiter
auf ihrem Schoß wippen zu lassen. Erschrocken hielt sie inne. Victor sollte nicht weinen. Nicht jetzt. »Ach ja. Und Katharina meint, dass du besser keine offenen Aspirinschachteln mehr herumliegen lassen solltest.«
    »Klar. Ich denk dran.« Sebastian versenkte drei Kandisbröckchen in seinem Tee und rührte um. Es war bereits das dritte Mal, dass er Kandis in seine Tasse getan hatte. Mit der freien Hand fasste Tessa über den Tisch und streichelte seine Hand. »Das war so ein schöner Nachmittag. Wir sind wirklich bescheuert, dass wir das nicht öfter machen.«
    »Ja, das stimmt.« Sebastian entzog ihr seine Hand, um zu trinken.
    »Soll ich ihn füttern?«, bot er an, als die Kellnerin das erwärmte Gläschen auf einem Teller an den Tisch brachte.
    »Wenn du magst. Gern.«
    Tessa spürte die Blicke der Kellnerin und des Mannes hinter dem Tresen, als Sebastian Victor von ihrem Schoß hob, sich wieder setzte und begann, ihn mit dem roten, abgerundeten Kunststofflöffel, den sie extra mitgebracht hatten, zu füttern.
    »Jaaaaa … Lecker … Ist das lecker?« Er pustete jeden Löffel kühler, bevor er ihn Victor in den Mund schob, und wenn sein Sohn einmal ablehnend den Kopf wegdrehte, leckte er selbst ein wenig von dem Löffel und machte so lange
mmmhh
, bis Victor wieder den Mund öffnete. Einen Moment überlegte Tessa, ob sie Sebastian daran

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