Die Buchmagier: Roman (German Edition)
während er an dem Kevlar-Spielzeug nagte, das er den anderen Tieren erfolgreich abgeluchst hatte. »Gutenberg mag noch leben, aber wir können nicht darauf warten, dass er wiederkommt. Er hat die Pförtner so geschaffen, dass sie auch nach seinem Tod funktionieren. Aber es gibt … unterschiedliche Ansichten darüber, wer seinen Platz einnehmen sollte. Wir haben einen provisorischen regierenden Rat gebildet; zwölf regionale Meister aus der ganzen Welt. In Zaubereiangelegenheiten spreche ich nun für den größten Teil Nordamerikas.«
»Das heißt, Sie sind überlastet und unterbesetzt. Lassen Sie mich helfen! Ich habe Exemplare der Bücher, die er aus dem Archiv gestohlen hat. Ich kann Ihnen zeig–«
»Diese Bücher sind nach Philadelphia geschickt worden, wo sie von zwei der erfahrensten Buchmagier untersucht werden, die wir haben.«
Ich schwieg, um den übrigen Zauberkram zu begutachten, den Pallas vorbereitet hatte. Gravuren in den Fenstern erinnerten mich an die Sprüche, die in die Windschutzscheibe und Fenster meines Autos eingearbeitet waren. Ein kunstvolles Messingvorhängeschloss hing an der Eingangstür wie etwas aus einem mittelalterlichen Fantasyroman. Und dann war da noch ihre Musiksammlung. »Bin ich ein Gefangener?«
»Fürs Erste ist es dem Rat lieber, wenn Sie beide hierbleiben«, antwortete Pallas. »Wir werden selbstverständlich eine vollständige Überprüfung Ihrer Handlungen vornehmen, ehe eine endgültige Entscheidung über Ihren Status getroffen werden kann.«
»Nett«, sagte ich. »Den Kerl, der euern abtrünnigen Libriomanten tatsächlich gefunden hat, vom Spielfeld zu nehmen!« Mein Tonfall handelte mir ein Knurren von Pac-Man ein.
»Übertreiben Sie nicht! Hätten Sie diesen Mann gefunden, würden wir eine ganz andere Unterhaltung führen. Sie haben einen Namen gehört. Drei Außendienstmitarbeiter haben ihre Zeit verschwendet, indem sie versuchten, diese Spur weiterzuverfolgen. Sie haben nichts gefunden.«
»Dann kann es ja nichts schaden, es mich versuchen zu lassen, oder?«, fragte ich und ließ zur Abwechslung einmal meinen Charme spielen.
Charme erwies sich als ebenso nutzlos wie Wut. »In dreißig Jahren musste ich nur eins meiner Tiere vor seiner Zeit einschläfern«, sagte Pallas. »Eine Hündin namens Peaches. Sie war aggressiv, aber ich habe schon mit Schlimmerem zu tun gehabt. Ihr Problem war ihre Zielstrebigkeit: Sobald sie einmal Beute gesichtet hatte, musste sie sie haben. Sie kaute sich durch die Scheune, um eine meiner Ziegen zu töten. Als sich einmal ein Reh dem Zaun näherte, kletterte sie drüber und war fort. Dieser Zaun steht unter Strom, und zwar in ausreichender Stärke, um einen Stier aufzuhalten, aber Peaches kannte die Bedeutung des Wortes ›aufhalten‹ nicht. Sie riss sich das Bein am Stacheldraht bis auf den Knochen auf, aber sie fing ihr Reh. Sie war ein schönes Geschöpf mit nussbraunen Augen, weichem Fell und sanft gebogenen Stacheln, die wie Maracas rasselten, wenn sie rannte.«
Ich legte den Kopf schief. »Nennen Sie mich einen Hund?«
»Ich sage Ihnen, dass Ihre Rolle in dieser Untersuchung beendet ist.«
»Sie verheimlichen doch etwas!«, sagte ich. »Wissen Sie, was aus Gutenberg geworden ist? Aus den Automaten? Wissen Sie, was Jakob Hoffman vorhat?«
»Halten Sie sich zurück, Isaac!« Die Lautsprecher begannen zu vibrieren, als Bässe durchs Haus brummten. »Mir wäre es lieber, keine Gewalt gegen einen anderen Pförtner anwenden zu müssen, aber Sie werden in jeden Fall hierbleiben! Es ist zu Ihrem eigenen Schutz.«
Ich war kein Gegner für Pallas, schon gar nicht hier auf ihrem eigenen Terrain, wo ihre Haustiere nur auf die Erlaubnis warteten, mich fressen zu dürfen.
Lena hatte die ganze Zeit über gar nichts gesagt. Wie viel dieser selben Diskussion hatte sie schon mit Pallas geführt? Lena würde nicht hier rumsitzen und darauf warten, dass die Vampire ihre Geliebte ermordeten. Das konnte sie nicht. Sie würde sich allein auf den Weg machen, wenn es sein musste, und im Alleingang das ganze Nest herausfordern … und sie würden sie töten. Ich bezweifelte, dass Pallas sie daran hindern würde – schließlich war Lena ja keine Pförtnerin.
Tief und langsam sog ich die Luft durch die Zähne ein. Wenn ich hierblieb, würden Lena Greenwood und Nidhi Shah beide sterben. Pallas konnte ich nicht umstimmen; sie war viel zu sehr auf Vorschriften fixiert.
»Dann kündige ich«, murmelte ich benommen.
Lena richtete sich auf.
Pallas
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