Die Buchmagier: Roman (German Edition)
Michigan?«
Kapitel 15
Wenn ich den allerwichtigsten Moment in meinem Leben wählen müsste, den Wendepunkt, der bestimmte, wer und was aus mir werden sollte, dann wäre es der Tag, an dem Ray Walker mich einlud, mich den Pförtnern anzuschließen. Dieser Tag hatte alles verändert. Sogar noch als Titelaufnehmer war ich ein Teil von etwas Magischem gewesen. Und jetzt hatte ich das weggeworfen.
Während ich fuhr, durchlebte ich im Geiste immer wieder meine Unterhaltung mit Pallas. Ich wusste, dass sie tat, was sie für richtig hielt. Sie spielte genau nach den Regeln, wenn sie mich von den Nachforschungen abzog, bis die Pförtner sicher sein konnten, dass ich von dem, was ich in Detroit gesehen hatte, nicht kontaminiert worden war. Vielleicht versuchte sie sogar, so wie Lena behauptete, mich wirklich zu beschützen.
An einer Tankstelle hielt ich an, um mir den Weg in die nächste Bücherei beschreiben zu lassen. Die erwies sich als kleines weißes Gebäude, das sich zwischen Post und Polizei zwängte. Ich fuhr auf den Parkplatz und brachte die nächsten fünf Minuten damit zu, Klecks dazu zu bewegen, in den Käfig zurückzugehen. Er war nicht begeistert darüber, aber ihn einfach so im Auto zu lassen war keine gute Idee. Zu dem Versuch, die Anwesenheit einer Spinne dem hiesigen Bibliothekar zu erklären, hatte ich jedoch auch keine Lust.
»Die Pförtner haben schon vier Tage damit verbracht, Jakob Hoffman zu suchen«, sagte Lena, während sie mir hineinfolgte.
»Ich bin sicher, sie geben ihr Bestes!« Ich setzte mich vor einen öffentlichen Computer und öffnete in einem Fenster den Bibliothekskatalog und einen Internetbrowser in einem weiteren. »Aber ich kenne die anderen Libriomanten in dieser Gegend. Einer ist Handwerker, ein anderer arbeitet für ein Museum. Keiner von denen ist ein Bibliothekar.«
Ich ließ die Finger spielen und gab mir alle Mühe, die Leere in meiner Brust zu ignorieren. »Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust.«
Lena ließ sich auf dem Stuhl neben mir nieder. »Worum geht es?«
»Stopp meine Zeit!« Ich fiel über die Tastatur her und klickte zwischen den Fenstern hin und her. Eine Internetsuche förderte mehr als tausend Ergebnisse für ›Jakob Hoffman‹ zutage, darunter eine Figur aus einem Film von 2010 und ein ziemlich peinliches YouTube-Video. Ich klickte mich durch Seite um Seite von Ergebnissen, fand jedoch nichts.
Bei der Datenbank der Bibliothek erging es mir nicht besser. Nicht dass ich damit gerechnet hatte, leichtes Spiel zu haben – die Pförtner hatten ja schon nach Hoffman gesucht und nichts erreicht.
Ich leerte den Bildschirm. Ich konnte nicht zählen, wie oft ich Besuchern geholfen hatte, auf Genealogie-Sites Vorfahren ausfindig zu machen oder lange verschollene Klassenkameraden zu lokalisieren. Ich hatte auch mehr als einmal Bücher anhand weitaus weniger Informationen als dem Namen einer Figur gefunden. Ich war ein ziemlich guter Buchmagier, vor allem aber war ich ein verdammt guter Bibliothekar.
Als Nächstes griff ich auf die Webseiten von Großhändlern zu. Kein Glück.
Falls Hoffman eine literarische Figur war, so war er nicht wichtig genug, um in der Zusammenfassung eines Buches Erwähnung zu finden. Die Datenbanken des Buchhandels lieferten auch keine Ergebnisse.
Ich lehnte mich zurück, legte die Fingerspitzen zusammen und funkelte den Computer an, als könnte ich ihn damit zwingen, mit den gesuchten Informationen herauszurücken.
»Zehn Minuten«, sagte Lena mit einem eigenartigen Lächeln.
»Was?«
»Hast du gewusst, dass du dir auf die Zunge beißt, wenn du dich konzentrierst?«
Ganz bewusst schloss ich den Mund und versuchte als Nächstes die Webseiten von Fanfiction-Autoren; diese Leute schrieben häufig über Nebenfiguren. Doch wieder ging ich leer aus.
»Na schön, dann schummeln wir eben!« Ich nahm meine Halskette ab und legte den Stein in die Mitte der Tastatur. Der Bildschirm flackerte, und ein neues Fenster erschien, das mir Zugriff auf die Pförtner-Datenbank erlaubte. Hier konnte ich nicht nur unseren Katalog durchforsten, die Site lieferte mir auch eine Hintertür zu Daten diverser anderer Internetseiten der Organisation. Ich konnte hier beispielsweise bei Strafverfolgungsbehörden nachschauen, ob ›Jakob Hoffman‹ jemals als Deckname benutzt worden war oder –
»Scheiße!«
Schwarzer Rauch quoll vorn aus dem Computer. Der Monitor knackte und zischte, das Bild schrumpfte zu einer einzelnen Linie aus weißem Licht
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