Die Buchmagier: Roman (German Edition)
gewesen, dass Buchmagier auch als Schriftsteller arbeiteten und dabei versuchten, Waffen und Gegenstände zu erschaffen, die sie gebrauchen konnten. Diese Erfahrung hatte die Pförtner zwei wichtige Dinge gelehrt. Erstens: Schreiben war schwieriger, als es aussah. Zweitens – und noch wichtiger –: Die Gefahr der Besessenheit stieg bei von Buchmagiern geschriebenen Büchern exponentiell an. Ein Teil unserer eigenen Magie durchdrang den Text, schwächte die Barrieren zwischen Geschichte und Realität und brachte jeden Leser in Gefahr, der auch nur das geringste bisschen magischer Begabung mitbrachte.
Ich sprang auf und schritt mit neu gefundener Entschlossenheit in die Science-Fiction-und Fantasyabteilung der Bücherei.
»Meinst du, sie haben eine Ausgabe davon?«, fragte Lena skeptisch.
»Nö.« Ich überflog die Regale, bis ich zum Buchstaben M kam, und zog ein abgegriffenes Taschenbuch von Robin McKinleys Beauty heraus.
»Erklärst du es mir, oder willst du Effekthascherei betreiben?«
»Ein wenig von beidem.« Ich ging tiefer in die Regale hinein, um sicherzugehen, dass niemand uns zusah. »Das hier ist McKinleys Nacherzählung von Die Schöne und das Biest . In ihrer Version enthält die Bibliothek des Biests eine Ausgabe von jedem Buch, das jemals geschrieben wurde, in der Vergangenheit und in der Zukunft .«
McKinley war nicht die einzige Autorin, die sich so eine Bibliothek ausgedacht hatte, aber die Pförtner hatten Regeln, die den Gebrauch solcher Titel einschränkte. Manche waren zu schlimm verkohlt, um eine erneute Benutzung zu riskieren, während andere eigentlich nur für Notfälle aufgehoben wurden. Normalerweise hätte ich eine dreiseitige Bedarfsanforderung schreiben müssen, um dieses hier zu verwenden, aber es hatte seine Vorteile, ein Freiberufler zu sein. Sollte ich mich als Gefahr erweisen, hätte ich die Pförtner auf den Fersen, aber mit ein paar kleinen Tricks müsste ich eigentlich davonkommen.
Ich blätterte zu der Bibliotheksszene vor und langte in das Schloss des Biests, wobei ich mich auf den Titel konzentrierte, den ich suchte.
»Wie erschafft man ein Buch, das man nie gelesen hat?«, wollte Lena wissen.
»Erinnere mich später daran, dann gebe ich dir ein Exemplar von Prices Abhandlungen über metamagische Manifestationen. Kurz gesagt, wir können keine ›zukünftigen‹ Titel erschaffen: Das Buch muss in unserer Welt existieren.« Zwei Libriomanten waren gemaßregelt worden, weil sie versucht hatten, ein vorzeitiges Exemplar des letzten Harry-Potter -Buchs zu bekommen. »Es geht um Resonanz. Ich kenne das Buch, das ich haben will, und magische Resonanz ermöglicht es mir, einen Klon des Werkes aus existierenden Exemplaren zu erschaffen. Jedenfalls ist das Prices Theorie.«
Ich hielt den Atem an und griff nach etwas, was sich wie ein schlankes Taschenbuch anfühlte. Ich drehte es zur Seite, zog es heraus und präsentierte es Lena mit einer schwungvollen Bewegung. »Sei ehrlich: Habe ich mir nicht ein klein wenig Effekthascherei verdient?«
»Erst mal lesen; Effekte haschen später.«
Ich schob V-Day in meine Tasche, stellte Beauty wieder an den richtigen Platz zurück und folgte ihr zur Tür. Dort kauerten inzwischen drei Leute über dem Leichnam des Computers, den ich abgemurkst hatte. Sie sahen aus wie Nekromanten, die versuchten, einen Toten zu erwecken.
»Es tut mir leid«, sagte ich.
Ro tat meine Entschuldigung mit einer Handbewegung ab. »Nicht Ihre Schuld. Sieht aus, als hätte das Netzgerät einen Kurzen gehabt und das ganze Ding gegrillt.«
Seine gute Laune bewirkte bloß, dass ich mich noch schlechter fühlte, deshalb nahm ich mir auf dem Weg nach draußen ein Lesezeichen mit den Bibliotheksdaten. Sobald ich wieder nach Hause kam, würde ich ihnen einen Scheck schicken, um den von mir angerichteten Schaden wiedergutzumachen.
Ich fragte mich, ob Pallas den Zuschuss, der mein Gehalt abdeckte, gestrichen hatte oder ob sie mir das Geld so lange lassen würde, bis es am Ende des nächsten Rechnungsjahres auslief. So oder so, diese Bibliothek hatte es nicht verdient, die Schläge für meinen Fehler einzustecken.
Aber zuerst würde ich diesen Dreckskerl finden.
*
»Wo gehen wir als Nächstes hin?«, fragte Lena.
»Das weiß ich noch nicht.« Ich schlug die Urheberrechtsseite auf. »Hör dir das mal an. ›Dieses Werk ist Copyright Charles de Guerre und darf unter Androhung von Rechtsmitteln nicht vervielfältigt, zitiert, verkauft oder rezensiert werden.‹ Da
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