Die Buchmagier: Roman (German Edition)
Lektion von Babel. Gottes Mysterien gehören ihm allein und nur ihm. Dies ist das eine wahre Kreuz, die Waffe des Allmächtigen und der Seinen. Sollte jemand versuchen, es nachzubilden, so wird Sein Zorn das falsche Kreuz dazu bringen, ihn mit dem Feuer der Hölle selbst zu verbrennen.‹ Charles de Guerre, oder wer er auch ist, hat dieses Buch bewusst so geschrieben, dass immer nur ein Kreuz zur selben Zeit existieren kann. Wenn ich versuche, ein anderes zu machen, wird es mit seinem eigenen Selbstzerstörungsmechanismus ausgestattet sein.«
Ich blätterte zum Anfang. Das Copyright war auf letztes Jahr datiert. Wie viele Exemplare hatte er seitdem gedruckt? Ein paar Hundert? Tausend? Es gab keinen Preis, denn er wollte ja nicht versuchen, sie zu verkaufen. Es ging hierbei nicht um Profit; es ging darum, das Buch in die Hände so vieler Leser wie möglich zu bringen, damit er Zugriff auf die Magie des Buchs erlangen konnte. Er hatte die einzelnen Exemplare vermutlich an Leser verschenkt, die die Geschichte am wahrscheinlichsten zu schätzen wüssten. »Hitler benutzt das Kreuz, um eine Armee zu befehligen. Unser Libriomant hat nur eine Hand voll einzelner Vampire versklavt, was darauf hindeutet, dass die Zauberkraft des Buches noch begrenzt ist.«
»Wie lange wird es dauern, bis er seine volle Stärke erlangt hat?«
»Die Gleichungen sind unübersichtlich. Es hängt davon ab, wie stark die Leser glauben und ob diese Leser selbst über irgendwelche magischen Fähigkeiten verfügen. Die Zeit ist ebenfalls ein Faktor. Glaube wird mit der Zeit schwächer, obwohl man keine einheitliche Halbwertzeit angeben kann. Tausend Leute, die das Buch in einem Jahr lesen, erzeugen einen stärkeren kumulativen Glauben, als wenn die gleiche Anzahl es in einem Jahrzehnt liest.«
Lena scherte über zwei Spuren auf die Ausfahrt aus, was mir einen Aufschrei und Klecks eine verärgerte Rauchwolke entlockte. Ich wollte protestieren, aber sie schnitt mir das Wort ab. »Du hast doch gesagt, du brauchst eine Buchhandlung, richtig?«
Der Laden, den sie im Sinn hatte, war in einem Einkaufszentrum untergebracht. Ein großer Teil des zur Verfügung stehenden Platzes hatten die Bücher allerdings an Spielzeug, Videos und Elektronikartikel abtreten müssen. Ich ging mit schnellen Schritten an der Science-Fiction- und Fantasyabteilung vorbei und steuerte den Bereich für Astrologie und New Age an.
Lena bedachte mich mit einem skeptischen Blick, als ich ein Buch aus dem obersten Regalfach zog. » Die uralte Weisheit der Kristalle? Dieses Zeug funktioniert tatsächlich?«
»Bei der Libriomantik dreht sich alles um Glauben. Die meisten Kristalle besitzen keine inhärente Zauberkraft, aber die hier drin …« Ich schaute mir die Titelei an. »Das hier ist die sechste Auflage. Das dürfte mehr als genug sein für meine Zwecke.«
Ich bezahlte das Buch in bar und hastete aus der Tür, beim Gehen lesend. Ein Auto hupte, und Lena zog mich zurück auf den Bordstein, sodass es vorbeifahren konnte. »Augen auf die Straße, du Genie!«
Ich gab mir Mühe, meine Aufmerksamkeit zwischen dem Buch und den Autos zu teilen. Bis wir den Triumph erreichten, hatte ich gefunden, was ich brauchte.
»Unakit«, sagte ich, während ich die Beschreibung überflog. »Eine mystische Entdeckung neueren Datums. Unakitkristalle beeinflussen das Herzchakra und lichten das Dunkel in Ihrem Herzen. Diesen Stein zu halten ermöglicht es Ihnen auch, Täuschungen zu durchschauen.« Ich nahm V-Day vom Vordersitz. »Ein Pseudonym ist nichts anderes als eine Form der Täuschung.«
Ich konzentrierte mich. Das hier war schwieriger, als Schwerter aus einem Fantasyroman zu ziehen. Ich glaubte in Wirklichkeit nicht an die Kraft von Kristallen, nicht auf die Weise, wie ich an Geschichten glaubte. Ich musste meine eigene Skepsis überwinden, um Zugriff auf die Magie des Buches zu erhalten, und das dauerte in diesem Fall eine Weile. Doch schließlich gelang es mir, einen langen, sechsseitigen Kristall herauszuholen, der an einem Ende spitz zulief wie ein dicker, stummeliger Bleistift.
Der Stein war spiegelglatt poliert, die Facetten orange und dunkelgrün gesprenkelt. Ich legte Die uralte Weisheit der Kristalle auf den Boden, nahm V-Day zur Hand und schlug die Copyright-Seite auf. Die andere Hand um den Kristall geschlossen, las ich den Namen.
»Und?«
Die Buchstaben verschwammen, als ob ich durch Wasser daraufschaute. Ich kniff die Augen zusammen, umklammerte den Stein und konzentrierte
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