Die Buchmagier: Roman (German Edition)
mich. »Charles … Humphrey. Nein, Hubert.« Die Buchstaben wurden schärfer. »Charles Hubert!« Ich schlug das Buch zu und sagte triumphierend: »Und deswegen zieht man den Bibliothekar nicht von der Untersuchung ab!«
»Du machst es schon wieder!«
»Was?«
»Angeben.« Sie ließ den Motor an.
»Und ob ich das mache!«
Wir hielten an einem Internetcafé außerhalb von Gary, Indiana, an und setzten uns zu einer weiteren Nachforschungsrunde zusammen. Lena zwängte sich neben mich in einen abgetrennten Bereich mit Flachbildmonitor, dreckiger Tastatur und Maus sowie einer an die Wand gehefteten, laminierten Befehlsübersicht.
Eine Stunde und zwei Latte später schob ich die Tastatur fort und rieb mir die Augen. Lena schien beim Lesen keine Müdigkeit zu verspüren, während ihr Körper so nah bei meinem war, dass ich ihre Wärme fühlen konnte. Sie sprach als Erste aus, was wir beide dachten. »Charles Hubert ist kein Mörder.«
Hubert war ziemlich einfach zu finden gewesen, auch wenn nichts über seine derzeitige Adresse oder seinen Aufenthaltsort online zu finden war. Ich hatte auf dem Monitor auf nicht weniger als ein Dutzend Zeitungsartikel Zugriff, die allesamt zwischen zwanzig und vierundzwanzig Monate alt waren. Ich klickte den Beitrag aus einer Zeitung aus Jackson, Michigan, an, der die Überschrift Verwundeter Veteran kehrt aus Afghanistan nach Hause zurück trug. »Er war zweimal im Irak, und das war sein zweiter Einsatz in Afghanistan. Er hat sich freiwillig dazu gemeldet, noch einmal hinzugehen.«
»Neunundvierzig Jahre alt«, las Lena. »Sie schickten ihn nach Hause, als sein Konvoi von einer Panzerabwehrrakete getroffen wurde.«
»Er erhielt mehrere Auszeichnungen.« Ich klickte auf das Foto und vergrößerte das Bild. Ich deutete auf die Bandagen, die einen Großteil seines Kopfes verhüllten. »Der Mann, den ich gesehen habe, hatte eine Narbe. Er ist jetzt dünner, aber das ist er.« Vor zwei Jahren war er ein dekorierter Soldat und allen Berichten nach auch ein anständiger Mann gewesen. Was war vorgefallen, das ihn in einen besessenen Mörder verwandelt hatte?
Lena griff über meine Hand und klickte einen anderen Artikel an. Ich gab mir alle Mühe, nicht auf diese Berührung oder die Art zu reagieren, wie unsere Schenkel und Hüften sich bei unserer gemeinsamen Arbeit aneinanderpressten. »Er arbeitete früher in einer unabhängigen Buchhandlung in Jackson, Michigan.«
Ein perfekter Arbeitsplatz für einen Libriomanten. Aber obwohl ich den Namen jedes Libriomanten im Mittleren Westen kannte, von einem Hubert hatte ich noch nie gehört. Selbst wenn er keine formale Ausbildung erhalten hatte: Jeder, der sich mit Zauberei beschäftigte, handelte sich einen Besuch der Pförtner ein. Wie hatte Hubert es geschafft, die Libriomantik zu meistern und dabei unserem Radar komplett zu entgehen?
»Kopfverletzungen sind durchaus dazu angetan, zu Persönlichkeitsveränderungen zu führen«, überlegte Lena. »Und dieser Mann hat einen Schädelbruch erlitten; er trägt eine acht Zentimeter große Metallplatte im Kopf. Das kann er unmöglich ohne Hirnschaden überstanden haben! Nimmt man dazu noch die psychischen Auswirkungen des Angriffs: posttraumatischer Stress, das Grauen, mitansehen zu müssen, wie zwei seiner Kameraden vor seinen Augen in Stücke gerissen …«
»Das erklärt aber immer noch nicht die Zauberei. Ich habe zwar von seltenen Fällen gelesen, wo ein Hirnschaden jemandes Fähigkeit, Magie auszuüben, ausgelöscht hat, aber umgekehrt noch nie.« Ich starrte zornig auf den Bildschirm. »Wir brauchen Zugriff auf seine Krankenakten.« Normalerweise hätte ich die Datenbank der Pförtner als Zugang zu den Systemen von Militär und Krankenhäusern benutzt, aber ich hatte heute schon einen Computer geschrottet.
Lena zeigte auf einen Abschnitt irgendwo in der Mitte des Artikels, wo Margaret Hubert zitiert wurde, die Gott dankte, dass er ihren Sohn lebendig nach Hause gebracht hatte. »Fragen wir doch Mama!«
Kapitel 16
Margaret Hubert wohnte im Süden Jacksons in einem kleinen weißen Haus mit einem enormen Silberahorn, der an der Seite der Einfahrt wuchs. Neben der Haustür hing ein orangefarbenes ›Vorsicht, bissiger Hund!‹-Schild.
Ich sah nach Klecks. Er hockte in seinem Käfig und war ziemlich ruhig, was bedeutete, dass Charles vermutlich nicht anwesend war. Ich klemmte mir den Käfig an die Hüfte, zog die Jacke darüber und klopfte an die Tür.
»Ich übernehme jetzt die
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