Die Buchmagier: Roman (German Edition)
Erinnerungen an die Magie auslöschen.«
»Nur weiter!«, ermunterte mich de Leon. »Das ist ein faszinierendes Gedankenspiel!«
Es müsste eine selektive Auslöschung sein. Ein totaler Gedächtnisverlust würde zu viele Fragen aufwerfen. Aber wie? Gutenberg war ein Libriomant. Wir konnten einen Menschen nicht einfach neu schreiben, ganze Kapitel aus seinem Leben wegradieren.
Nein, ich nahm an , dass wir es nicht konnten. Es wurde immer klarer, wie viel mir bei meiner Ausbildung vorenthalten worden war. Hatte Ray Walker hiervon gewusst? Oder Pallas? »Wie oft machen sie es? Leute verschließen?«
De Leon zuckte mit der Schulter. »Wie du weißt, bin ich schon seit vielen Jahren kein Mitglied eures kleinen Klubs mehr.«
»Huberts Kriegsverletzung hat dieses Schloss zerbrochen«, sagte Lena.
»Wie?«, fragte ich.
»Das Gehirn kann sich bis zu einem gewissen Grad neu schreiben, indem es beschädigte Regionen umgeht«, führte sie aus. »Als er langsam wieder auf den Damm kam, könnte sein Gehirn einen Weg um die Zauber herum gefunden haben. In diesem Fall hätte er angefangen, sich zu erinnern, was ihm genommen worden war. Deshalb ist er auf Pförtner losgegangen: Sie haben ihm seine Zauberkraft und seine Erinnerungen gestohlen.«
Wut verengte mein Gesichtsfeld, als ich das Steuer herumriss und an einem Sattelschlepper vorbeiraste. Es war verstörend einfach, mich an Huberts Stelle zu versetzen. Wenn die Dinge sich vor zwei Jahren anders entwickelt hätten, wenn Ray nicht da gewesen wäre, um für mich zu sprechen, hätten sie dann auch mir meine Zauberkraft geraubt? Ich hatte der Zauberei zwar zwei Jahre lang entsagt, aber auch noch das Bewusstsein der Magie zu verlieren, diese Erinnerungen entrissen zu bekommen …
Wie war es für Hubert gewesen? Zuerst die Explosion, dann das Aufwachen im Krankenhaus. Die Orientierungslosigkeit, die Schmerzen seiner Verletzung. Schließlich Erinnerungen, die sich loslösten und an die Oberfläche stiegen. War es ein allmählicher Vorgang gewesen, oder war sein früheres Leben in einem einzigen überwältigenden Augenblick zu ihm zurückgekehrt?
»Wenn Pallas und die anderen höheren Tiere über diese Praxis Bescheid wussten«, sagte Lena langsam, »wieso haben sie dann nicht eins und eins zusammengezählt und Jagd auf Hubert gemacht?«
»Exzellente Frage!« De Leon klang wie ein Professor, der seinen Lieblingsstudenten lobt.
»Man konnte nicht einfach hingehen und bloß Huberts Gedächtnis löschen«, überlegte ich laut; mein Herz schlug heftiger, als ich die Implikationen durcharbeitete. »Sie wollen nicht, dass kleine Außendienstler oder Titelaufnehmer wissen, was sie getan haben, wozu sie in der Lage sind. Also müssten sie Hubert auch aus unseren Erinnerungen löschen, um sicherzugehen, dass wir beim Verschwinden des Kollegen keine Fragen stellen. Wenn Hubert nun irgendwie Zugriff auf Gutenbergs Wissen bekommen hat, könnte er denselben Zauber gewirkt haben, um sich vor den Erinnerungen der Regionalen Meister zu verstecken.«
»Und was ist mit den Aufzeichnungen?«, wandte Lena ein.
»Victor Harrison.« Ich warf einen Blick auf den Spiegel, aber de Leon bestätigte meine Vermutung weder, noch wies er sie von sich. »Wir dachten, der Angriff auf Harrison sei ein Weg gewesen, um unsere Kommunikationssysteme anzuzapfen, aber das war nur ein Teil davon. Harrison hatte auch Zugang zu unseren Datenbanken; Hubert könnte ihn benutzt haben, um seine Akten zu löschen.«
»Das könnte auch der Grund sein, weshalb er die Bücher aus dem Archiv gestohlen hat«, sagte Lena. »Nicht um sich ihrer Magie zu bedienen, sondern um herauszufinden, wie man einen magischen Verschluss aufhebt. Wenn es andere wie Hubert gibt, könnte er vorhaben, ihnen zu helfen.«
»Oder er könnte versuchen, den Prozess zu rekonstruieren, um einen Weg zu finden, Gutenberg und den übrigen Pförtnern das anzutun, was sie ihm angetan haben.« Ich brauchte Zeit, um alles zu verarbeiten und die einzelnen Puzzleteile zu sortieren. Aber eine wichtige Frage war noch nicht beantwortet. »Ich habe durch eins dieser Bücher gegriffen und versucht, Hubert zu finden. Er hat mir etwas hinterhergeschickt. Etwas, das sich lebendig anfühlte, bestehend aus Hass und einem verzweifelten Hunger. Ich habe noch nie eine Magie wie diese gefühlt; mächtig genug, um mich auszulöschen, und dabei so beiläufig gewoben, wie du und ich eine Stechmücke zerquetschen würden.«
Aus de Leons Miene schwand die letzte Spur von
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