Die Buchmagier: Roman (German Edition)
war.
Die Luft über Klecks’ Käfig kräuselte sich vor Hitze; ob das allerdings mit dem zusammenhing, was uns in Huberts Hütte erwarten mochte, oder mit meinem Fahrstil, konnte ich nicht sagen. Ich überprüfte die Wegbeschreibung und stellte dann den Motor ab. »Die Hütte müsste eine Viertelmeile vor uns liegen.«
»Ich werde nachsehen.« Sie nahm ihre Bokken vom Rücksitz und schob sie durch ihren Gürtel, dann ging sie zur nächsten Birke und erklomm sie wie eine Leiter; ihre Finger sanken ins Holz ein, als sie sich höherzog. Sobald sie sechs oder sieben Meter zurückgelegt hatte, schritt sie von Ast zu Ast und hielt sich dabei an den Ansätzen fest. Bald verbargen die Blätter sie vor meinen Blicken.
Ich überprüfte meine Bücher und ging im Geiste durch, welche Waffen gegen einen besessenen Libriomanten am geeignetsten wären. Die Odyssee fing an, Zeichen der Verkohlung zu zeigen, aber für etwas Moly dürfte es noch reichen, und ich musste dem entgegenwirken können, was Hubert auf uns loslassen würde. Eine Blendgranate wäre gut, falls wir ihm zuvorkommen konnten.
Ich dachte daran zurück, was de Leon gesagt hatte. Was immer Hubert in sich hatte, es war genug, um einen der mächtigsten Zauberer der Welt das Fürchten zu lehren. Wenn de Leon nervös war, sahen meine Chancen ziemlich kläglich aus. Aber wenn wir uns reinschleichen und lange genug unbemerkt bleiben könnten, um Gutenberg zu finden und zu retten …
Unsichtbarkeit. Schnelligkeit. Stille. Was wir brauchten, waren durch Zauberei verbesserte Ninja-Fähigkeiten. Ich wählte noch ein paar Titel aus und sah dann meine Bücher auf der Suche Heilmagie durch. Doch für Besessenheit gab es kein Heilmittel, nicht mehr, wenn sie einmal so weit fortgeschritten war. Es gab gar nichts, was ich tun konnte, um zu retten, was von Charles Hubert noch übrig war.
Lena klopfte ans Fenster. Ich schrie vor Schreck auf und ließ die Bücher fallen, die ich gerade studiert hatte. Na schön, ich brauchte Ninja-Magie – Lena schien ganz gut ohne zurechtzukommen.
»Die Hütte ist verlassen«, sagte sie, als ich aus dem Wagen stieg. »Sieht aus, als wäre er schon eine Zeit lang fort.«
»Verdammt!« Ich hob Klecks auf meine Schulter. Er fühlte sich heiß an. »Bist du sicher? Das hier ist keine glückliche Spinne.«
»Dieser Ort ist eine Ruine, Isaac. Da drin wohnt nichts, außer vielleicht den Waschbären.«
Ich raffte meine Bücher zusammen und folgte ihr die Straße hinunter. Ein kleines Stück weiter verzweigte sich der Weg nach links zu einer überwucherten Lichtung neben einer unscheinbaren Holzhütte. Besser gesagt dem, was davon übrig war.
»Automaten?«, fragte Lena.
»Kann sein.« Etwas hatte sich den Weg in die Hütte mit Gewalt gebahnt: Nur zwei der vier Außenwände standen noch. Das halbe Dach war zersplittert und eingestürzt, der Rest hing gefährlich durch. Auf der andern Seite führte eine Holztreppe zu einem kleinen Bach hinunter.
Die noch stehenden Innenwände waren aus rohem Holz gezimmert, die Bodendielen bestanden aus nacktem Sperrholz. An einem Haken an der Wand hing eine Flanelljacke. Ein Regal war zusammengefallen, und die Konserven, die darin gestanden hatten, lagen neben einem rostfleckigen Kühlschrank, der wenigstens vierzig Jahre alt zu sein schien, auf dem Boden. Zerrissene, schimmelige Bücher waren in den Trümmern verstreut, zusammen mit etwas Metallischem.
Ich ging näher heran und testete den Boden. Ein verdächtiges Knacken ließ mich zurückweichen. »Dürfte ich mir ein Schwert borgen?«
Lena reichte mir einen ihrer Bokken. Ich benutzte ihn, um damit in den Büchern zu stochern und nach dem Schimmern zu suchen, das ich erspäht hatte. Nach ein paar Versuchen legte ich eine Goldmünze frei, ein bisschen größer als ein Vierteldollar. Ich schob sie so weit in meine Richtung, bis ich sie aufheben konnte. Ich wischte sie am Ärmel ab; obwohl sie abgegriffen war, konnte ich das Bild einer streng dreinschauenden Frau und die Worte ›Dei Gratina‹ ausmachen.
»Was ist es?«
»Eine Zwei-Guineen-Münze.« Ich schnippte sie Lena zu. »Ein Teil des Schatzes aus Die Schatzinsel . Es handelt sich um eine Übung im Laufe der Ausbildung. In unserem ersten Jahr der Zusammenarbeit lies Ray mich dieselbe Münze mehr als einhundertmal erschaffen und auflösen.« Ich betrachtete die ruinierten Bücher. »Hubert hat hier geübt.«
»Denkst du, die Pförtner haben es bemerkt?«
»Und einen Automaten geschickt, um sich um ihn
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