Die Buchmagier: Roman (German Edition)
verstreut. Ein Auge baumelte aus der Höhle; eine vollkommene schwarze Glaskugel von der Größe einer Pflaume.
Ich berührte den rechten Arm und rechnete halb damit, der Automat würde wieder zum Leben erwachen und mich packen, weil ich es gewagt hatte, seine Ruhe zu stören. Als nichts passierte, wischte ich den gröbsten Schmutz weg. Durch einen Riss im Arm wurde das gehämmerte Metallgelenk des Ellbogens freigelegt; die Hand aus Holz war zerschmettert worden und enthüllte Gelenke und kleinere Bestandteile des Skeletts.
Auf der Erde lagen noch eine ganze Reihe von Metallblöcken herum. Ich hob einen auf und kratzte den Dreck ab, bis ein umgekehrter Buchstabe F zum Vorschein kam.
»Bewegliche Lettern!«, flüsterte ich. Das war es, woraus die Rüstung des Automaten bestand! Metallblöcke, jeder einzelne von Hand gegossen und zu Perfektion gefeilt. Die Ehrfurcht vor dem, was ich in der Hand hielt, stand im krassen Widerspruch zu der lähmenden Furcht vor dem Ding, das so dicht vor mir lag. Die Ehrfurcht behielt die Oberhand. Ich hielt ein Stück Zaubereigeschichte in Händen! Nach allem, was ich wusste, war es Gutenberg persönlich gewesen, der geschmolzenes Metall in die Handformen gegossen hatte, um diese Lettern herzustellen, auch wenn die hier beträchtlich größer waren als die Einzeltypen, die er für seine Druckerpresse benutzt hatte.
Die eingeprägten Buchstaben der Rüstungsbestandteile wiesen nach innen, sodass die Lettern den Holzkörper prägten. Ich kauerte mich über den Bauch des Dings, und meine ganze Furcht war wie weggeblasen, als ich das freiliegende Holz an der Stelle untersuchte, wo der Kiefernast es praktisch gepfählt hatte.
»Isaac, bist du sicher, dass das schlau ist?«
Ich hörte Lena kaum. Der Holzkörper war handgeschnitzt; ich konnte die Werkzeugspuren klar erkennen. Die Oberfläche war von einem tiefen, geölten Braun. Ich spuckte mir auf die Finger und rieb den gröbsten Schmutz ab; danach konnte ich die in die Oberfläche des Holzes eingeprägten Buchstaben lesen. »Dieses Ding ist wie eine lebende Druckerpresse!« Nein, nicht einfach eine Presse, sondern ein lebendes Buch! Ich setzte mich zurück und versuchte zu verarbeiten, was wir entdeckt hatten.
Lena berührte mit zwei Fingern das freiliegende Holz.
»Sei vorsichtig! Es ist eine Konstruktion, die mit Magie betrieben wird, und sie hat genug Energie zurückbehalten, um sich tarnen zu können, bis mein Moly den Zauber aufgezehrt hat.«
»Was ist in der Lage, einen Automaten dermaßen zu beschädigen?« Lena zeigte auf den gespaltenen Schädel und die gepfählte Brust.
»Charles Hubert. Und das bedeutet, dass wir ihm nicht das Wasser reichen können.« Ein Lichtschimmer lenkte meine Aufmerksamkeit auf Klecks, dem es gelungen war, die Seite seines Baums in Brand zu stecken. Ich schnappte mir einen abgebrochenen Ast und streckte ihn ihm hin, bis er aufs Ende kletterte. Lena stieg auf den Baum und schlug die Flammen mit einer Hand aus.
Ich setzte Klecks auf ein kahles Stück Felsen und betrachtete forschend den Wald zu beiden Seiten. »Halt die Augen auf! Kann sein, dass er nur wegen des Automaten verrückt spielt, aber falls nicht …«
Lena ließ die Muskeln in ihren Schultern spielen und die Schwerter kurz wirbeln.
Ich setzte die Sonnenbrille wieder auf. Die Molyzweige erschienen jetzt als Schatten, Löcher in der schwachen Magie, die der Automat immer noch verströmte.
Dieser Automat war Hunderte von Jahren alt und einer von nicht mehr als zwölf, konstruiert mit Hilfe einiger von Gutenbergs frühesten Zaubern. Noch nie war es meines Wissens jemandem gelungen, einen Automaten zu zerstören. Doch in Anbetracht dessen, was ich bisher erfahren hatte, konnte Gutenberg auch eine ganze Armee mechanischer Krieger aufgestellt haben, und dieses Wissen war aus unseren Überlieferungen gelöscht worden.
Die Magie des Automaten zu analysieren, um zu enthüllen, wie Gutenberg diese Dinger mit Leben erfüllt hatte, konnte mir helfen, die eigentlichen Grundlagen der Libriomantik besser zu verstehen. Aber ich vertraute Klecks’ Instinkten. Es war Zeit, von hier zu verschwinden. Widerwillig wandte ich mich von dem gefallenen Automaten ab und begab mich zurück zur Hütte.
»Wir sollten diese Bücher einsammeln, um zu sehen, womit Hubert sich sonst noch beschäftigt hat. Wenn er etwas mit der Macht gefunden hat, die einen Automaten aufzuhalten vermochte, könnte das …«
Meine Stimme verlor sich. Eines der ruinierten Bücher in
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