Die Buchmagier: Roman (German Edition)
ihr nichts anhaben«, beruhigte uns Kyle. Er hatte eine Hand voll Papierhandtücher genommen und bemühte sich, das Blut von seinem inzwischen verheilten Hals abzuwischen. »Rupert kann niemanden umdrehen, außer sie trinken sein Blut, nachdem er sie gebissen hat.«
Lena zischte, als sie meine Hand beiseiteschob und ihr Hosenbein hochzog. Ich wollte kein Risiko eingehen, deshalb nahm ich das Magazin aus der Pistole und entfernte die einzelnen Pfeile. Einen nach dem andern drückte ich die gefrorenen Weihwassersplitter in die tiefen Wunden in Lenas Unterschenkel. Ihre Haut war robust wie Eiche, doch der Hund hatte vier üble Einstichwunden hinterlassen.
Ich versuchte, mir nicht vorzustellen, was er mit mir angestellt hätte.
»Ich habe ihn getötet.« Ihre Worte waren ruhig, aber hart. Sie starrte aus der Tür.
Kyle nickte. »Es war eindeutig Notwehr. Sie haben kein Gesetz gebrochen.«
»Ich sah, wie er dich packte«, fuhr sie fort. »Ich habe nicht überlegt.«
Ich nahm ihre Hand. »Es war nicht deine Schuld. Es war die Schuld desjenigen, der ihn kontrollierte.«
Sie schüttelte sich. »Dann war er ein zweifaches Opfer! Erst gefangen von der Zauberei, die ihn in einen Vampir verwandelt hat, dann versklavt.«
»Nicht einfach nur ein Sklave.« Ich dachte an die andern Morde zurück. »Ich glaube, wer immer sie kontrolliert, kann durch ihre Augen sehen und an ihren Erfahrungen teilhaben. Und er kennt mich.«
»Geht es Ihnen gut, Isaac?« Kyle klang aufrichtig besorgt, was bedeutete, dass der Liebesmagnet immer noch gut funktionierte. Herrn Pfütze hatte er jedoch nicht aufgehalten. Welche Magie ihn auch beherrscht hatte, sie war viel stärker als meine. »Ihr Hals ist ganz rot, wo er sie festgehalten hat!«
»Ein paar blaue Flecken, aber ich werd’s überleben.« Neben den Schlägen, die Loyola mir verpasst hatte, hatte Klecks’ Panik mir noch Hemd und Jacke angesengt. Ich hatte Glück gehabt, dass er mich nicht in Brand gesteckt hatte. Auf seinem Rücken glühten immer noch rote Funken. »Wo geht Herr – Wo geht Rupert hin, wenn er nicht Hütehund spielt?«
»Nirgendwohin«, antwortete Kyle. »Er schläft hier. Er nimmt nur selten Menschengestalt an. Er ist der beste Sicherheitsdienst, den wir haben.« Seine Faust schoss vor, durchschlug eine Gipskartonplatte und zersplitterte einen Wandpfeiler. Dabei blieb seine Miene unverändert und verriet nichts von seiner Wut oder Frustration. »Ich hatte keine Ahnung, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Haben Sie so etwas schon einmal gesehn? Wissen sie, wer unseren Leuten das antut?«
»Noch nicht.« Ich löste die Pistole gerade so lange wieder in ihr Buch auf, dass ich sie neu formen und nachladen konnte, dann steckte ich Buch und Waffe in meine Tasche.
Eine Vampirin kam ins Spielzimmer geeilt. »Was ist hier drin los?«
»Halt die Kinder draußen!«, fuhr Kyle sie an.
Die Vampirin funkelte uns an – hauptsächlich Lena. Der Liebesmagnet lenkte zwar von mir allen Zorn und Argwohn ab, trug aber nichts dazu bei, ihr zu helfen. »Was haben sie mit –«
»Marisha!« Kyle zog die Schultern hoch und fauchte, ein Geräusch, das mich an einen wütenden Jaguar kurz vor dem Sprung denken ließ. Die Vampirin wich wie von einer unsichtbaren Faust getroffen zurück; sie senkte den Kopf und zog sich zurück.
»Sie müssen uns unter die Erde führen«, sagte ich ruhig.
»Was ist mit den Kindern?«, wandte Lena ein. »Sollen wir sie einfach hierlassen?«
»Ihre Erzieher kennen die Regeln.« Ich warf einen Blick auf Kyle, der jetzt wieder vollkommen menschlich aussah, wenn auch blutbefleckt. »Kyle weiß genau, was passieren wird, falls sie einem dieser Kinder wehtun oder es gar umdrehen. So dumm sind sie nicht.«
»Kein Töten und kein Umdrehen ohne die Zustimmung des Menschen.« Er hob die Hand. »Um Ihrer nächsten Frage zuvorzukommen: Nach unseren Gesetzen kann kein Mensch seine Zustimmung erteilen, umgedreht zu werden, bevor er nicht mindestens siebzehn Jahre alt ist. Diese Kinder sind hier sicherer als bei sich zu Hause.«
»Und das sollen wir Ihnen glauben?«, fragte Lena.
»Das Schlimmste, was ihnen hier widerfährt, ist ein mentaler Stups ab und zu, damit sie nicht zu sehr aus der Reihe tanzen, aber selbst das versuche ich zu reduzieren. Ich mache nicht gern in ihren Köpfen rum, besonders nicht in diesem Alter. Hören Sie, ich habe die Angestellten sogar alte Episoden von Supernanny anschauen lassen; ein Versuch, Jo Frosts Belohnungssystem für die
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