Die Buchmagier: Roman (German Edition)
Vampire die ungeschriebenen Gesetze der Aufzugsetikette befolgten. Kyle behielt einen gewissen Abstand zu uns und betrachtete die Tür, während wir immer tiefer unter die Erde sanken. Ich beschäftigte mich damit, mit meinen Blicken die nichtssagenden Metallwände nach Kameras abzusuchen. Bis der Aufzug langsamer wurde, hatte ich zwei gefunden, die in der Deckenleuchte versteckt waren.
Die durch die Tür hereinströmende Luft war merklich kälter und roch nach Salz. Ich blickte hinaus auf das Innere eines Stahlgewölbes, das mich an einen Banktresor denken ließ. Drei bewaffnete Gestalten standen vor uns und hatten Maschinengewehre auf uns gerichtet. Dazu passend trugen sie schwarze kugelsichere Westen, Munitionsmagazine an den Gürteln und durchweg unbelustigte Mienen zur Schau.
Eine Vampirin wich fauchend zurück, als wir aus dem Aufzug traten; entweder wegen meines Kruzifixes oder aufgrund der Knoblauchlösung. »Hi!«, begrüßte ich sie aufgeräumt. Ihre Augen wirkten normal, und keiner von ihnen schien mich zu erkennen. »Ich bin Isaac Vainio von Die Zwelf Portenære.«
So nervös es mich auch machte, von Kreaturen umringt zu sein, die in der Nahrungskette unmittelbar über mir rangierten, so war ein Teil von mir doch auch aufgeregt, endlich Vampire in ihrer selbstgeschaffenen Umgebung zu sehen. Sie hatten ein voll funktionsfähiges unterirdisches Ökosystem gebaut, eines, das schon fast hundert Jahre überstanden hatte. Berichte zu lesen war eine Sache, aber nur wenige Menschen erblickten diesen Ort jemals mit eigenen Augen, und kaum einer dieser Menschen hatte je wieder das Licht der Sonne gesehen und davon erzählt.
Die mit der Knoblauch- oder Kruzifixallergie nahm ein Funkgerät vom Gürtel und murmelte etwas hinein, was ich nicht verstehen konnte. Sie hob das Gewehr. »Legen Sie die Hände an die Wand!«
Kyle hatte die Stellung schon eingenommen; weiterhin lächelnd gesellte ich mich zu ihm. Sie nahmen Lena ihre Bokken ab, und ich selbst händigte klaglos meine Pflöcke und die Weihwasserpistole aus. Wie erwartet befreiten sie mich auch von der UV-Taschenlampe und dem Kruzifix. Einer griff nach meiner Jacke.
Ich drückte die Taschen zusammen, um zu beweisen, dass sonst nichts drin war. »Wir sind ein klein wenig in Eile, falls es Ihnen nichts ausmacht?«
Herr Pfütze mochte imstande gewesen sein, dem Liebesmagneten zu widerstehen, aber die drei hier nicht. Die Frau gab eine Kombination in den Zahlenblock neben der Gewölbetür ein und zog sie dann auf. Diese Tür war gut und gern fünfzehn Zentimeter dick und schien aus massivem Stahl zu bestehen. Die Vampirin bewegte sie, als sei sie so leicht wie eine Fliegengittertür.
»Willkommen im Detroiter Nest!«, begrüßte uns der Größte des Trios, wobei er sich anhörte, als läse er von einem Manuskript ab. »Mit dem Betreten unseres Territoriums erkennen Sie an, dass Sie menschliches Recht hinter sich lassen. Jeder Akt der Aggression –«
»Könnten wir bitte die Kurzfassung kriegen?«, fragte ich.
Die Frau verdrehte die Augen. »Benehmen Sie sich, oder wir fressen Sie!«
»Jetzt kapier ich es!«
Sie führte uns in einen rechteckigen Tunnel, etwa neun Meter breit und sechs hoch. Die andern beiden Wachen zogen die Tür zu; das dumpfe Geräusch schwerer Riegel zeigte an, dass wir hier unten gefangen waren. Ob wir je wieder hier rauskamen, hing jetzt vom guten Willen unserer vampirischen Gastgeber ab.
Ich gaffte ungeniert beim Gehen. Weißes Salz überkrustete die Wände aus Fels und glitzerte im trüben, blaustichigen Licht einer Reihe von LED-Glühlampen. Blank liegende Elektrokabel führten von den Lampen zu dicken Leitungsrohren aus Metall, die an der Decke entlangliefen. An der Wand rechts vom Aufzug war ein ramponierter Kleinlaster geparkt. Der Boden war braun verrostet, und eine Salzschicht malte den Rest weiß an. Zwei gut gepflegte Geländemotorräder standen in der Ecke hinter dem Laster.
»Wie groß ist dieser Ort?«, fragte Lena, während sie sich umsah.
»Meilen«, antwortete ich. »Unter Detroit gab es zwei bedeutende Salzbergwerke. Das eine ist heute immer noch in Betrieb, aber die Vampire investieren jede Menge Zeit und Geld, um das zweite Bergwerk aus den Aufzeichnungen zu löschen, was ihnen einen relativ sicheren Ort zum Leben gibt.«
»Lauschen Sie dem Herrn Fremdenführer!«, kicherte Kyle.
Wir kamen an in den Fels getriebenen Tunnels und Treppen vorbei, ebenso an mehreren kleinen Wartungsfahrzeugen. »Was ist da
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