Die Buchmagier: Roman (German Edition)
uns durch eine Handbewegung auf, einzutreten. »Ich dachte, Unsterblichkeit würde die Leute Geduld lehren. Stattdessen hat man letztendlich Vampire, die mit übermenschlicher Geschwindigkeit durch die Gegend rasen und noch gestresster sind als vor ihrem Tod.« Irgendwo im Haus begann ein kleiner Junge zu weinen, aber das Geräusch steigerte sich schnell zu einem ohrenbetäubenden Gebrüll. Kyle lächelte mich entschuldigend an. »Ich bin sofort wieder da!«
Lena warf mir einen skeptischen Blick zu, als wir ihm nach drinnen folgten. Ich tätschelte meine Tasche. »Liebesmagnet, freundlicherweise zur Verfügung gestellt von L. Frank Baum. Seine Magie wird sich irgendwann erschöpfen, aber er dürfte dazu beitragen, die Dinge etwas zu beschleunigen.«
Lena zog mich dicht an sich heran. »Ich kapiere ja, dass du gern angibst, aber nächstes Mal fände ich es nicht schlecht, wenn du mich vorher von deinem Plan in Kenntnis setzt, okay?«
»Entschuldigung.« Auf den ersten Blick wirkte die Tagesstätte völlig normal. Die Deckenplatten waren allesamt bemalt, was sich in einem chaotischen Mischmasch aus Farbe und Schmiererei ausdrückte. Poster, auf denen Respekt und Benehmen gefordert und auf Sicherheitsmaßnahmen hingewiesen wurde, hingen an den Wänden. Der Linoleumfußboden roch nach Zitronenreiniger, und ich nahm zusätzlich das salzige Aroma alter Knete wahr.
Des Weiteren zählte ich drei Überwachungskameras, nicht eingerechnet diejenige, an der wir unter der Dachrinne des Vorbaus vorbeigekommen waren.
Ich blickte in einen Raum mit einem ramponierten Klavier in der Ecke und Spielzeuginstrumenten, die in grellrote und blaue Regale gestopft waren. Ein anderer Raum war voller zusammengefalteter Decken und im Dunkeln leuchtender Plastiksterne, die an Wänden und Decke klebten.
Die Kinder befanden sich in einem Raum, der wohl das Hauptspielzimmer war, zumindest wenn man nach der Menge des Spielzeugs ging, das überall auf dem Boden verstreut war. Ein Mann und eine Frau – weitere Vampire vermutlich – hüteten neun Kinder, die zwischen zwei und zwölf Jahren alt zu sein schienen. Ein großer Hütehund ›half‹ ihnen dabei, indem er im Kreis hin und her lief und damit zwei kleine Mädchen zum Kichern brachte, während Kyle ruhig mit einem Jungen mit rotem Kopf sprach, der in der Ecke stand. Der Junge nickte und lächelte dann, als Kyle die Hand ausstreckte und ihn am Hals kitzelte.
»Ich bin im Büro«, tat Kyle kund und scheuchte den Jungen zurück zu den andern. »Vergesst nicht Jennys Inhalator um sieben, und achtet darauf, dass Tamika ihre Schuhe anbehält, wenn ihr nach draußen geht!«
Mehrere Dinge geschahen, als er sich umdrehte, um sich zu uns zu gesellen. Eines der Kinder zeigte auf Klecks und schrie: »Hey, er hat eine Spinne!« Der Hütehund sah mich an und knurrte. Und Klecks brach in rote Flammen aus.
»Cool!«, flüsterte das Kind, das Klecks entdeckt hatte.
Kyle runzelte die Stirn. »Herr Pfütze, bleib!«
Der Hund ignorierte ihn. Die Frau griff nach seinem Halsband.
»Herr Pfütze?«, wiederholte ich.
»Die Kinder haben ihm den Namen gegeben«, erklärte Kyle. »Normalerweise verhält er sich Fremden gegenüber nicht so.«
Und er hätte sich definitiv mir gegenüber nicht so verhalten dürfen! Unter dem Einfluss des Liebesmagneten hätten sie alle erpicht darauf sein müssen, uns auf jede erdenkliche Art und Weise zu helfen.
Doch Herr Pfütze knurrte und schnappte nach der ihn haltenden Frau. Mit einer Bewegung, die weit schneller als die eines jeden Menschen ausfiel, riss sie die Hand weg, aber keinem der Kinder schien es aufzufallen. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und sie starrte den Hund an, als hätte sie ihn noch nie gesehen. Bevor irgendjemand reagieren konnte, sprang Herr Pfütze direkt auf mich zu.
Für ein so großes Tier bewegte er sich schnell, kegelte Kyle zur Seite und sprang mir auf die Brust. Wir schlugen beide auf dem Boden auf. Ich versuchte, sein Maul von meinem Hals wegzuschieben, aber das fühlte sich an, als wollte ich einen Bus mit der bloßen Hand aufhalten. Weiße Zähne schnappten nach meiner Kehle und rissen mein Hemd auf, sodass das silberne Kruzifix, das ich für den Anlass angelegt hatte, freilag. Der Hund jaulte, wich zurück und würgte dann, weil Lena ihn am Halsband packte.
Die Kinder kreischten protestierend. »Tun Sie Herrn Pfütze nicht weh!« Eine Holzente flog durch die Luft und traf Lena an der Schulter.
»Schafft sie sofort raus!«, rief
Weitere Kostenlose Bücher