Die Buchmagier: Roman (German Edition)
auch wenn es das sicherlich versuchte. Wirkungslos fuhr der Arm durch meinen Hals und mein Gesicht.
»Es ist mir egal, was Nidhis Akten sagen«, wisperte Lena. »Du bist komplett geistesgestört!«
»Noch nicht.« Ich glaube nicht, dass sie mich hörte, doch die Stimmen schwollen als Reaktion darauf an und schrien mir zu, die Flucht zu ergreifen. Ich berührte etwas, das sich wie verbrannte Pappe anfühlte. Meine Finger schlossen sich um ein Buch, dessen Seiten zerknittert und spröde wie Herbstlaub waren. »Teil zwei: Manifestation.«
Vorsichtig legte ich die Hand ganz um das Buch, lehnte mich zurück und zog das Herz des Dings heraus.
Die Kreatur fiel zu schwarzem Rauch und Staub zusammen. Als ihre Masse sich auflöste, bewegte sich der Schutt unter mir; ich kreischte und fiel auf die Seite, quetschte mir den Ellbogen und schrammte mir die Hüfte auf. Ich rollte abwärts wie ein Kind auf einem Hügel und hätte mir wahrscheinlich auf dem Zement den Schädel eingeschlagen, wenn Lena mich nicht aufgefangen hätte.
Sie hielt mich am Ellbogen fest, während wir zurück auf die Lichtung humpelten, wo ich meinen Preis inspizierte. Der untere Teil des Buches war komplett unleserlich, aber in der oberen rechten Ecke konnte ich etwas von den roten und grauen Illustrationen erkennen. Als ich das Buch öffnete, blätterte noch mehr vom Einband ab. Die Innenseiten waren tiefschwarz.
»Das Ding leckt immer noch«, sagte ich ruhig. Der Staub an meinen Händen griff meine Haut mit magischem Pseudoleben an, als er versuchte, sich neu zu formen. »Nicht so schnell wie vorher, aber wenn ihm genug Zeit zur Verfügung steht, werden wir dieses Ding wieder ganz von Anfang an bekämpfen müssen.«
»Dann lass Klecks es doch fertig zerstören!«, schlug Lena vor.
» Jedes Exemplar dieses Buches ist beschädigt. Dieses eine zu eliminieren könnte uns zwar beschützen, aber es könnte auch die Magie des anderen Libriomanten anderswohin verschieben.« Ich nahm Feed – Viruszone aus der Tüte und studierte das Schloss. Gutenberg hatte diese Bücher verschlossen, indem er ein Bibelzitat benutzt hatte – er war schließlich ein Libriomant. Es ergab Sinn, dass seine Zauberei aus Büchern kam.
Und wie sollte ich mich auf Zauberei konzentrieren, wo schon meine ganze Konzentration erforderlich war, nur um bei Verstand zu bleiben? Wo ich alle Kraft aufwenden musste, um an dem festzuhalten, der ich war? Die Stimmen waren jetzt nur noch Schreie, und sie wurden stärker.
Das Schloss, das ich gesehen hatte, war ein Fragment biblischer Zauberei. Was eine nützliche Information gewesen wäre, hätte ich ein Exemplar der Bibel zur Hand gehabt und Gutenberg mir über die Schulter geschaut, um mir zu sagen, wie ich es benutzen sollte.
»Isaac?«
Die Schreie in meinem Kopf übertönten Lena. Ich musste von ihren Lippen lesen, dass sie meinen Namen sagte. Rief. Die Welt dahinter war ein verschwommener Fleck. Ich blinzelte Richtung Lena und dann auf den gleißenden Ball, zu dem Klecks geworden war. Ich war außerhalb der Zeit.
Ich schob die Hand in Tollwut hinein, und die Welt um mich herum verschwand. Ich konnte meine Hände nicht sehen, aber ich fühlte sie, eine gehäutet von der gezackten Magie des aufgeschlossenen Buches, in der anderen die kalte Schwere des verschlossenen Textes. In der inständigen Hoffnung, dass das hier klappen würde, stieß ich das verschlossene Buch ins Herz von Tollwut und zwang das Schloss mit meinem Willen, sich auszudehnen und beide Bücher zu umgeben.
Das Schreien hörte auf. Mit einem Schlag stellte sich die Welt wieder scharf, und Tollwut verschwand. Lena schrie mir irgendetwas zu. Ich drückte mich hoch und wollte etwas sagen, aber meine Beine gaben unter mir nach. Ich beobachtete, wie der Boden mit der Unabwendbarkeit eines sich nähernden Schneepflugs auf mich zukam und mein Bewusstsein wie den ersten Schneematsch des Winters an den Bordstein kehrte.
Kapitel 14
Ich wurde in einem Schlafzimmer wach, das nach schlammigem Hund roch.
Das schmale Doppelbett mit den blauen Satinlaken und den dicken Kopfkissen war unbequem weich. Ritzen aus Sonnenschein schlichen sich an schweren gemusterten Vorhängen vorbei. Ich hatte nichts an außer einer braunen Jogginghose.
Das Zimmer war still. Und was noch wichtiger war, in meiner Gedankenwelt war es ebenfalls ruhig. Ich legte zwei Finger an den Hals und überprüfte meinen Puls: ein bisschen zu schnell, aber besser als seit Tagen. Auch mein Atem schien normal zu
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