Die Buchmagier: Roman (German Edition)
wälzte diesen Gedanken in meinem Kopf herum. Langsam rappelte ich mich hoch. »Zeit, sich um dieses Ding zu kümmern!«
»Wir sollten die Pförtner rufen!«, wandte Lena ein. »Soll sich jemand anders um die Folgen kümmern, damit du dich ausruhen kannst.«
»Dazu ist keine Zeit. Was meinst du, wie lange es sich aufhalten lassen wird?« Ich bahnte mir den Weg hinein, wobei ich jeden Schritt prüfte. Lena blieb bei mir und benutzte ihr verbliebenes Bokken als Stock, um das verletzte Knie zu entlasten. Ungefähr anderthalb Meter Schutt bedeckten die Stelle, wo sie das Ding wie ein Insekt aufgespießt hatte. Eine der Mauern knarrte und ließ mich zusammenzucken. »Ich muss den Körper untersuchen.«
Lena blickte finster drein. »Natürlich musst du das!«
Ein Loch durch das Chaos zu graben wäre auch schwierig gewesen ohne die Figuren, die überlaut in meinem Kopf redeten und mich ermahnten, Schutzkleidung anzulegen oder eine Mannschaft herbeizurufen, um den gesamten Ort zu sterilisieren. Ständig fuhr ich wegen eingebildeter Geräusche und Bewegungen zusammen.
Backsteine verschoben sich, und geschwärzte Finger griffen nach Lenas Handgelenk. Sie wich zurück. »Na, da haben wir es doch!«
Ich krabbelte zu der Stelle hinüber, wo sie gearbeitet hatte. Einen Teil des Gesichts und des linken Arms konnte ich so gerade eben ausmachen. Die Haut hatte sich verändert. Die Verkohlung war schlimmer, und jedes Mal, wenn die Finger sich bewegten und zielsicher nach mir griffen, fiel schwarzer Staub davon ab.
Ich hob einen Metallbolzen auf und stieß den Handrücken an. Das fühlte sich an wie verbranntes Leder.
War es meine Schuld? Hatte ich das Buch so schwer beschädigt bei meinem Versuch, den Killer zu finden, dass ich es ihm ermöglicht hatte, diese verzerrte, unfertige Kreatur hinter mir herzuschicken?
»Ich könnte versuchen, zu Ende zu bringen, was er begonnen hat«, murmelte ich. »Es von dem Buch trennen und lange genug in dieser Form zu fixieren, um es zu zerstören.« Aber selbst wenn ich eine Ahnung davon gehabt hätte, wie ich das machen sollte, konnte doch niemand wissen, ob die von mir erschaffene Figur das Virus trüge. »Meinst du, die Vampire würden mir ihr Verlies zur Verfügung stellen, um dieses Ding zu studieren?«
Lena gab mir keine Antwort.
Ich konnte kein Buch heilen, und letzten Endes war das alles, was es war: ein verbranntes, stinksaures Buch, das den ganzen Ort mit Magie verseuchte. »Ich muss es verschließen!«
»Hast du nicht gesagt, du wüsstest nicht, wie das geht?«
»Weiß ich auch nicht.« Ich setzte mich zurück und rieb mir den Staub aus den Augen, während ich mich an hastig hingekritzeltes Latein erinnerte, das nach mir griff, um mich einzuengen. »Aber Gutenberg hat es schon vor Jahrhunderten herausgefunden. Alles, was ich tun muss, ist, seine Arbeit zu kopieren.«
»Er hat seinerzeit vermutlich auch nicht auf einem Buch gehockt, das ihn gerade umbringen wollte!«
Ich rang mir ein Kichern ab. Gutenberg war vermutlich auch nicht so ausgebrannt gewesen, dass der einfachste Zauber ihn die geistige Gesundheit hätte kosten können.
Ich nahm ein Taschenbuch aus meiner Jacke und bewegte es auf die schwarze Hand zu. Anstelle eines Schlosses konnte ich es vielleicht einfach in ein anderes Buch auflösen?
In dem Moment, als die Finger das Buch berührten, breitete sich Kohle wie schwarzer Staub über die Seiten aus. Ich riss es zurück. So viel zu dieser Herangehensweise.
»Zauberei ist ein zweigeteilter Prozess: Zugriff und Manifestation«, flüsterte ich. Sowohl ich als auch mein Kontrahent hatten auf die Magie des Buches zugegriffen. Aus dieser Magie heraus hatte er die Manifestation kontrolliert.
Ich schloss die Augen und las im Geist noch einmal das Auftaktkapitel von Tollwut . Ich baute den Schauplatz wieder auf, bis er so real war, wie ich ihn nur hinbekam. Die Story durchflutete mich, drohte mich hinabzuziehen. Ich gab mir alle Mühe, auf der Linie zwischen Magie und Wahnsinn zu balancieren. Ich brauchte diese Verbindung zu der Geschichte, aber wenn ich mich darin verlor, waren wir alle aufgeschmissen.
Ohne hinzusehen, streckte ich die Hand aus und ergriff sein Handgelenk.
»Isaac!«
Trockene Finger umklammerten meine. Aber während es noch versuchte, mir die Knochen zu brechen, sank meine Hand so mühelos durch seine Haut wie durch die Seiten des Buches. »Teil eins: Zugriff.«
Ich legte mich flach hin und griff tiefer hinein. Es konnte mir jetzt nicht wehtun,
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