Die Buchmagier: Roman (German Edition)
gehen, obwohl er ziemlich übel roch. Entweder hatte ich mich irgendwie von meiner Beinahe-Besessenheit in der alten Autofabrik erholt, oder aber ich war komplett verrückt geworden.
Ich setzte mich auf und wünschte sofort, ich hätte es bleiben lassen. Schmerzen schossen mir durch den steifen Rücken, als jeder Wirbel lautstark protestierte. Ich schluckte ein Keuchen herunter und griff mit vorsichtigeren Bewegungen nach der Lampe auf dem Nachttischchen links von mir. Die Lampe reagierte auf meine Berührung; die Birnen unter dem Buntglas-Schirm wurden hell und erleuchteten einen Raum mit gemusterten Tapeten und abgeschrägter Decke.
Das Trippeln kleiner Füße auf Metallstäben lenkte meine Aufmerksamkeit auf Klecks. Sein Käfig stand auf einem Topflappen auf einer schweren Eichenkommode an der Wand. Er war überaktiv und lief Runden darin, als würde er mein Erwachen feiern, aber er stand nicht in Flammen. Ich überquerte den Hartholzboden und zog die Vorhänge zurück, woraufhin ein Feld mit verstreuten Kiefern zum Vorschein kam, das von einem hohen, mit Stacheldraht gekrönten Maschendrahtzaun begrenzt wurde. Im Hintergrund stand eine braune Scheune. Ich zählte vier Hunde, die im Schatten daneben schliefen.
Meine Jacke war nirgends zu finden, aber der Rest meiner Kleidung wartete im Wandschrank auf mich. Hemd und Jeans hingen auf Holzbügeln, und meine Socken und die Unterwäsche lagen fein säuberlich zusammengefaltet in einem Regal. Meine Stiefel waren so sauber, dass ich sie kaum wiedererkannte.
Als ich mich anzog, entdeckte ich eine Reihe von verheilenden, gelblichen Quetschungen, die über meinen ganzen Körper verstreut waren. Ich verbog mich vor dem Spiegel an der Schranktür, um die Verletzungen zu inspizieren: Ich sah aus, als hätte ich einen Kampf mit einem Kleinlaster verloren. Vorsichtig berührte ich den bunten Bluterguss auf meinem rechten Wangenknochen. Den musste ich mir eingehandelt haben, als ich ohnmächtig geworden war. An der Innenseite meines linken Ellbogens entdeckte ich auch mehrere kleine Stichwunden, dazu einen relativ frischen Brandfleck auf meiner Brust. Die Brandverletzung korrespondierte mit einem sauberen Loch in der Vorderseite meines Hemds. An keine dieser Verletzungen konnte ich mich erinnern.
Ich warf die Jogginghose auf das zerknüllte Bett, schnappte mir Klecks’ Käfig und öffnete die Zimmertür. Ich trat auf einen schmalen Flur hinaus und sprang zurück, als zwei schwarzfellige Wesen angerannt kamen. Sie erinnerten an tollpatschige, übergroße Welpen, allerdings waren es keine Hunde. Beide Tiere kamen schlitternd vor mir zum Stehen. Das eine stellte eine Reihe schwarzer Stacheln auf dem Rücken auf; das andere winselte und pinkelte anschließend auf den Boden.
»Und schon weiß ich, wo ich bin!« Ich war noch nie zuvor in diesem Haus gewesen, aber ich kannte den Ort: Ich befand mich ungefähr eine halbe Stunde südlich von Chicago im Zuhause einer der mächtigsten Bardinnen der Welt.
Das aggressivere Tier stürzte sich auf meinen Stiefel. Doch auch übergroße Reißzähne waren kein Gegner für die lederüberzogenen Stahlkappen. Ich ließ ihn ein paar Momente spielen, dann stieß ich ihn weg. Er purzelte in seinen Kameraden, was eine neue Runde Pseudoknurren auslöste, und dann waren sie wieder weg.
Ich folgte ihnen in einen großen, offenen Raum mit Holzvertäfelung und einem Erkerfenster, das auf den Garten hinausging. Runde weiße Lautsprecher in der Decke gaben einen steten Strom von Jazz von sich. Die Wände waren von Regalen gesäumt, aber während meine Regale zu Hause von Büchern überflossen, beinhaltete diese Sammlung CDs, alte Tonbänder, Schallplatten und sogar eine Auswahl an Achtspurbändern, alle fein säuberlich nach Künstler und Erscheinungsjahr sortiert. Ich verschränkte die Hände hinterm Rücken, um dem Drang zu widerstehen, sie neu zu ordnen, basierend auf dem ASNCR-Standard, den wir in der Bücherei benutzten.
Lena saß barfuß auf einer braunen, mit Pelz überzogenen Couch. Hinter der Couch ging Nicola Pallas auf und ab, auf den Fersen gefolgt von einem sonderbar aussehenden Tier mit lockigem weißen Fell, das wie die Kreuzung zwischen einem Hund und einem Albtraum aussah. Das Tier warf einen Blick in meine Richtung; die schwarze Zunge hing ihm zur Seite heraus.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Lena.
»Wie eine Mumie, die frisch von den Toten auferstanden ist.« Ich streckte mich noch einmal und schnitt eine Grimasse, als
Weitere Kostenlose Bücher