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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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musste, ist es besser geworden. Aber nach den letzten Tagen haben die Schmerzen wieder zugenommen. Und dass Ihr mich vorhin am Knöchel festgehalten habt, hat dem Fuß, schätze ich, auch nicht gerade gut getan …« Ihre nachdenkliche Stimme wurde hart, während sie redete.
    »Das tut mir Leid«, erwiderte er schroff. Er nahm schmale Tuchstreifen aus seinem Bündel und wickelte sie kreuzförmig und fest um den Fuß. Nachdem er damit fertig war, zog er ein in Wachstuch eingeschlagenes, ziegelsteinförmiges Ding aus seinen Sachen – es war Tonerde. Während er die Erde in seinen Händen knetete, bis sie geschmeidig war, bemerkte er, dass ihn Donata wieder beobachtete. Auf diese seltsame Weise, als wollte sie sich die Form seiner Hände, auf die das Licht der Öllampe fiel, und die Farbe und Beschaffenheit des Tons genau einprägen.
    Er stützte seine Unterarme auf die Knie. »Hat eigentlich schon einmal jemand behauptet, dass Ihr den bösen Blick habt? Auf diesen Vorwurf käme ich eher als auf den der Ketzerei …«
    Sie antwortete nicht, sondern verschränkte nur die Arme vor ihrer Brust. Nachdem die Erde weich genug war, arbeitete Roger einige Hand voll Schnee hinein, bis eine zähe Masse entstand. Diese strich er über den Verband. Donata zuckte zusammen, als sie den kalten Brei durch den Stoff spürte.
    »Ihr müsst den Fuß ein oder zwei Tage lang ruhen lassen, sonst könnt Ihr wahrscheinlich bald überhaupt nicht mehr damit laufen«, sagte Roger, nachdem er sich die Hände im Schnee vor dem Backhaus gereinigt hatte. »Wir werden solange hier bleiben … Danach werde ich versuchen, irgendwo ein Maultier für Euch zu finden.«
    Donata nickte ausdruckslos.
    Roger griff in sein Bündel. Er holte Brot und Speck heraus, schnitt davon ab und reichte ihr von beidem. Sie nahm es, führte es jedoch nicht zum Mund.
    »Ihr übt Eure Heilkunst sorgfältig und gern aus«, stellte sie fest. »Aber Ihr tut es nicht um der Menschen, sondern um Eurer Kunstfertigkeit willen. Bilhildis, eine der Beginen, die ebenfalls heilkundig ist, verhält sich anders. Ihr sind die Kranken wichtig.«
    »Gleichgültig, ob ich die Medizin nun wegen der Menschen ausübe oder nicht, die Hauptsache ist, dass sie hilft. Meint Ihr nicht auch?«
    »Ich verurteile Euch deswegen nicht«, entgegnete sie spöttisch.
    »Das ist sehr freundlich von Euch.«
    »Bevor Ihr aus Köln weggegangen seid – habt Ihr da etwas über die Beginen in der Stolkgasse erfahren?«
    »Nur dass der Kardinal die Frauen wegen des Verdachts der Ketzerei vernehmen wird … Er hat sie zu ihren Familien gehen lassen«, log er.
    Erleichterung huschte über ihr Gesicht.
    Nein, er konnte Donata unmöglich erzählen, dass der Kardinal sie wahrscheinlich bei den Beginen gesucht und deshalb den Aufruhr des Pöbels hatte inszenieren lassen. Es würde ohnehin schon schwierig genug werden, mit ihr zusammen nach dem Zeugen zu suchen. Und er würde sie nicht aus den Augen lassen dürfen. Wenn sie erfuhr, dass Enzio ihre Spur bei den Beginen entdeckt hatte, würde dies nur ihre Furcht und ihren Willen zu fliehen verstärken.
    »Esst endlich oder gebt das Brot und den Speck mir, wenn Ihr nicht hungrig seid«, sagte er barsch.
    Statt einer Antwort schob sie einen Bissen Brot in ihren Mund. Dann und wann, während Roger sich selbst sättigte, schaute er rasch zu ihr hinüber. Sie aß hastig und konzentriert, wie jemand, der es gewohnt war, häufig nicht genug Nahrung zu bekommen. Abgesehen von ihren Augen war ihr Gesicht von einer mageren, blassen Unscheinbarkeit.
    Nachdem sie zu Ende gegessen hatten, sagte er: »Sucht Euch einen Platz beim Ofen. Ich werde mich vor die Tür legen.«
    Roger löschte die kleine Lampe und streckte sich auch selbst auf dem Boden aus. In der Dunkelheit hörte er Donata gleichmäßig atmen. Aber er wusste, dass sie nicht schlief, und glaubte, ihre Abneigung beinahe körperlich zu fühlen. Er schob den Arm unter den Kopf und lauschte auf das Knacken des Feuers im Ofen und den Wind, der über das öde verschneite Land blies, das Land, aus dem er vor so vielen Jahren mit Friedrichs Tross fortgezogen war.

    *

    Donata hatte die Augen geöffnet. Ein schmaler Streifen grauen Lichts zeigte ihr an, wo sich die niedrige Tür befand. Sie spürte, wie sich Roger neben ihr bewegte. Nicht aus Freundlichkeit hatte er ihr den Platz am warmen Ofen überlassen, sondern weil er ihr nicht traute. Nun, an seiner Stelle hätte sie das auch nicht getan. Aber irgendwann würde er in seiner

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