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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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glaubte wieder, den Schrei des Mönches zu hören, der sich höher und höher schraubte, während das Messer durch seine Eingeweide schnitt.
    »Würdet Ihr den Mann wieder erkennen, von dem Ihr meintet, er sei wie ein Adeliger gekleidet gewesen?«
    »Ja, ich glaube schon«, entgegnete sie verwundert, als könnte sie Rogers Frage nicht recht begreifen. »Gesichter und Dinge prägen sich mir ein … Oft so deutlich, dass ich sie in allen Einzelheiten vor mir sehen kann, auch wenn sie nicht gegenwärtig sind …« Sie brach ab. Als sie sich ihm wieder zuwandte, erschien es ihm, als würde ihr Blick sein Gesicht abtasten. »Ich hätte auch Euch früher wieder erkannt, wenn Ihr mich nicht erschreckt hättet.«
    »Das hätte mir wohl einiges an Unannehmlichkeiten erspart.«
    »Ihr seid selbst schuld, wenn Ihr Euch anschleicht. Warum kümmert es Euch, ob ich den Mord gesehen habe oder nicht? Die Großen bringen sich gegenseitig um und die Kleinen ducken sich am besten und hoffen, dass man sie nicht beachtet«, sagte sie hart.
    »Letzteres ist Euch wohl nicht gelungen …«
    »Nein.«
    »Ihr seid schon längst ein Teil des Spiels geworden«, meinte er langsam. »Und ich würde sagen, die einzige Möglichkeit, die Ihr habt, vielleicht unbeschadet aus dem Spiel herauszukommen, ist, dass Ihr Euren Platz darin findet und nicht länger davonlauft.«
    »Was meint Ihr damit?«
    »Ich muss den Zeugen des Mordes finden, jenen vierten Mann. Für Friedrich, den Staufer …«
    »Der Staufer …? Ihr gehört zu den Leuten des Staufers?«
    Donata wollte aufspringen, aber Roger packte sie am Arm und riss sie grob zurück. »Der deutsche König versucht, den Kaiser zu betrügen. Der Papst ebenso … Und Enzio, der Kardinal von Trient, will sein eigenes Spiel treiben, auch auf Kosten des Kaisers. Wenn es einen glaubwürdigen Zeugen für den Mord gibt – und ich nehme an, es gibt ihn –, ist es meine Pflicht, ihn zu Friedrich zu bringen. Damit der entscheiden kann, was er mit diesem Wissen anfängt.«
    »Der Kaiser, der die Ketzer verfolgen lässt!« Ihre Stimme war voller Verachtung.
    Roger zuckte die Schultern. »Er ist der oberste weltliche Herrscher der Kirche. Und als solcher kann er es nicht dulden, dass jemand seine Herrschaft nicht anerkennt.« Er ließ Donatas Arm los, beobachtete sie jedoch genau. »Ihr seid vor vier Jahren aus einem Benediktinerinnenkloster bei Bayeux geflohen. Seither geltet Ihr als rückfällige Ketzerin, nach der die Inquisition sucht …«
    »Woher wisst Ihr das?«, flüsterte Donata.
    »Die Äbtissin des Klosters Maria im Kapitol hat es mir erzählt. Mit deren Mantel Ihr verschwunden seid. Ich habe Euch darin vor dem Beginenhaus gesehen.«
    »Deshalb habt Ihr mich gefunden«, murmelte sie. Ihre Augen waren leer. Der Wind, der den Schnee in feinen Mustern aufwirbelte, blies ihr ein Büschel Haare ins Gesicht, aber sie bemerkte es nicht.
    »Ihr habt Euch die vergangenen vier Jahre gut gehalten. Ihr seid zäh. Es ist nicht leicht, der Inquisition so lange zu entkommen«, Roger legte eine Hand auf das angewinkelte Bein, hielt sich jedoch bereit, nach Donata zu fassen, falls sie weglaufen wollte. »Aber nun lässt auch Enzio nach Euch als Ketzerin suchen. Früher oder später wird man Euch aufspüren. Sei es, dass Ihr Euch auf irgendeine Weise verratet und der Inquisition in die Hände fallt, sei es, dass Euch die Leute des Kardinals ergreifen. Was letztlich auf dasselbe hinausläuft. Ich gebe Euch noch ein paar Wochen. Vielleicht schafft Ihr es sogar, das Ende des Winters zu überleben. Aber wenn die Kälte vorüber ist, werdet Ihr hier in den Wäldern mit aufgeweichten Wegen und Hochwasser zu kämpfen haben. Die Herbergen der Klöster könnt Ihr nicht aufsuchen. Ich glaube nicht, dass Ihr im Sommer noch am Leben sein werdet.«
    Donata saß still da und blickte zu Boden. Bei seinen letzten Worten zuckte sie leicht zusammen und verriet Roger so, dass sie ihm zuhörte. Er sprach eindringlich weiter und beobachtete nach wie vor ihre Reaktionen. »Wenn Ihr mit mir kommt, kann ich Euch nicht garantieren, dass Ihr – so wie auch ich – Enzio nicht in die Hände fallt. Aber trotzdem steigt Eure Möglichkeit zu überleben. Zwei kommen in der Wildnis besser zurecht als einer allein. Und schließlich, wenn Ihr mir dabei helft, den Zeugen des Mordes zu finden, wiegt dies Euer Ketzertum auf. Friedrich wird sich erkenntlich zeigen und Ihr könnt in einem seiner Länder unbehelligt leben. Was keine schlechte Aussicht ist

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