Die Buchmalerin
Benediktinerinnenklosters betreten. Der Schein der Flamme zuckte über den großen, gemauerten Herd, ließ das Metall von Töpfen und Pfannen kurz aufleuchten und blieb schließlich auf einer Bank im Hintergrund des weitläufigen Raums ruhen, auf der Decken lagen. Hier hatte die fremde Frau, die Ketzerin, geschlafen. Ob sie nicht doch irgendeinen Hinweis darauf hinterlassen hatte, wohin sie geflohen war?
Während die blasse Nonne hastig die Küche durchquerte, dachte sie, dass jetzt drei Tage vergangen waren, seit der Kardinal gemeinsam mit Heinrich von Müllenark das Kloster aufgesucht hatte. Am heutigen Nachmittag hatte er sie zu sich in den erzbischöflichen Palast rufen lassen und ihr die Schändlichkeit der Frau, mit Namen Donata, noch einmal in aller Deutlichkeit dargelegt. Die Ketzerin war nicht einmal davor zurückgeschreckt, die Scheune des Benediktinerklosters Mayenfeld an der Mosel in Brand zu stecken. Nun, ihr war die Frau schon vom ersten Augenblick an, als sie das Kloster betreten hatte, verdächtig erschienen. Sie musste gefunden werden.
Nachdem Schwester Gunhild das Talglicht in einer eisernen Halterung an der Wand befestigt hatte, durchsuchte sie behände die Decken. Als sie schließlich auch den steinernen Boden rings um die Bank abgetastet hatte, richtete sie sich enttäuscht auf. Alles, was sie gefunden hatte, war ein trockener Brotrest, der beim Kehren übersehen worden war.
Mit zusammengekniffenen Lippen überlegte sie. Wo hatte sich die Frau sonst noch aufgehalten? Im Skriptorium … Aber da war sie schon gewesen. Nein, auch dort hatte sie nichts Neues entdecken können. Und … Natürlich im Schreibzimmer der Äbtissin! Am Mittag, als die aufgebrachte Menge zum Haus der Beginen gezogen war, hatte sie die Fremde dort gesehen. Ja, es war überhaupt das letzte Mal gewesen, dass sie ihr im Kloster begegnet war. Noch befanden sich die anderen Nonnen und die Äbtissin bei der Vigil. Seit Gunhild im Kapitelsaal ihre Pflicht gegenüber der Inquisition erfüllt hatte, strafte die alte Frau sie ohnehin mit Verachtung. Sie konnte es wagen, das Schreibzimmer aufzusuchen und dort schnell nachzusehen.
Wenige Momente später zog die Benediktinerin die Tür des Schreibzimmers auf und schlüpfte in den Raum. Obwohl sie sich im Beisein des Kardinals und des Erzbischofs gegen die Äbtissin gestellt hatte, fürchtete sie sich doch, von ihr hier ertappt zu werden. Ein aufgeschlagenes Buch lag auf einem Pult. Wie Schwester Gunhild sah, als sie eilig näher trat, handelte es sich um eine Abschrift des Scivias. Die Äbtissin von Eibingen stand zwar im Ruf der Heiligkeit. Aber manche Dinge, die sie verkündet hatte, waren doch höchst bedenklich, wenn nicht gar verdächtig … Die blasse Nonne ließ den Schein des Talglichts weiter durch den einfach eingerichteten Raum wandern.
Der wuchtige Tisch war leer, bis auf einen bronzenen Kerzenleuchter. Im unruhig brennenden Licht wirkten die Vögel, die seinen Schaft umgaben, beinahe bedrohlich. Auf dem Stehpult stand ein Fläschchen, das Tinte enthielt. Außerdem lagen dort Federn, Griffel und einige Wachstäfelchen. Dinge, die sie selbst oft benutzt hatte, wenn ihr die Äbtissin einen Brief diktiert hatte. Ohne große Hoffnung, sondern nur um ihre selbst gestellte Aufgabe zu Ende zu führen, nahm Schwester Gunhild die Schreibutensilien in die Hand. Das Wachs der Täfelchen war wieder geglättet worden. So, wie es üblich war, nachdem der Text des Täfelchens auf ein Pergament übertragen worden war und nicht länger gebraucht wurde.
Sie wollte die Täfelchen schon wieder ärgerlich zurücklegen, als sie stutzte. Bei einem war das Wachs schlecht geglättet worden. So als sei derjenige, der es getan hatte, in Eile gewesen oder habe Schmerzen in der Hand gehabt.
Vorsichtig ließ die Nonne den Schein des Talglichts über das Täfelchen gleiten. Schwach, aber dennoch erkennbar konnte sie die Buchstabenfolgen Nid und bach ausmachen. Es war nicht ihre Schrift, mit der die Buchstaben in das Wachs geritzt worden waren. Und auch die Äbtissin schrieb anders, wenn die Gicht sie in Ruhe ließ und sie einen Griffel halten konnte.
*
Enzio schenkte Schwester Gunhild, die ihm in einem Gemach des erzbischöflichen Palastes gegenübersaß, ein liebenswürdiges Lächeln. Es war noch früh am Morgen und die Helligkeit des Wintertages noch nicht ausreichend. Das Licht einer Öllampe erhellte das blasse, aristokratische Gesicht der Benediktinerin. Obwohl sich die Nonne bemühte,
Weitere Kostenlose Bücher