Die Buchmalerin
ihres Mantels. »Es waren ein Mann und eine Frau, Prediger, die ab und zu in das Dorf kamen, in dem ich aufwuchs. Acht Jahre lang hatten sie sich verbergen können.« Sie sprach leise weiter, als redete sie zu sich selbst. »Ich bin ihnen in der Stadt nahe dem Kloster begegnet, wo ich lebte, seit die Kreuzfahrer meine Familie und die übrigen Dorfbewohner umgebracht hatten … Ich wollte Fischleim kaufen, ein Bindemittel für meine Farben. Es war ein heißer und trockener Nachmittag im Frühsommer, vor bald vier Jahren. Die Prediger haben mich erkannt und ich sie. Die beiden baten mich, ihnen zu helfen. Sie wollten über den Kanal fliehen und suchten ein Schiff, das bereit war, sie mitzunehmen. Ich habe sie in einer Hütte auf einem der Felder versteckt, die dem Kloster gehörten.« Sie drückte die Arme fester an sich, während sie weiterredete. »Die Nonnen haben mir nie recht getraut. Sie beobachteten, wie ich versuchte, Essen aus dem Kloster zu schmuggeln, und verständigten die Inquisition. Die Dominikaner haben mich im Kreuzgang abgefangen, auf dem Weg zur Vesper. Keine der Benediktinerinnen hat versucht, mir zu helfen oder mich auch nur zu warnen.«
Ein warmer Sommerabend nach dem Vespergeläut. Ein schmaler Streifen von Rosa am westlichen Himmel. Der Geruch von frischem Wasser, der aus dem Brunnen in der Mitte des Kreuzgangs herüberwehte, und der schwache Duft der Kräuter in den Beeten ringsum. Sie hatte in Gedanken noch im Skriptorium geweilt, bei einem Pergament, auf das sie die Umrisse einer Initiale mit dem Silberstift gezeichnet hatte. Sie hatte gehört, wie sich die Tür in ihrem Rücken, die zum Haupthaus des Klosters führte, öffnete, und sich kurz gewundert, denn die Nonnen mussten sich bereits vollzählig in der Klosterkirche versammelt haben. Rasche Schritte. Dann waren die drei Dominikaner bei ihr gewesen. Sie hatte sich gewehrt, ebenso wie sich ein Tier wehrt, das in eine Falle gerät. Aber Nonnen waren dazugekommen und hatten geholfen, sie festzuhalten.
Stumm brütete Donata vor sich hin, bis sie Roger wieder ansah. »Ich wollte ihnen nichts über die beiden Albigenser sagen. Aber die Inquisitoren haben sich nicht lange mit Fragen aufgehalten. Es hat nicht viel Zeit gebraucht, bis ich angefangen habe, unter der Folter zu reden. Sie haben den Prediger und die Predigerin gefasst. Die beiden waren nicht bereit, ihrem Glauben abzuschwören, und wurden als Ketzer verbrannt.«
»Es ist nicht leicht, sich der Folter zu widersetzen …«
»Manche tun es, manche nicht«, ihre Stimme klang hart, aber ihre Miene hatte einen verlorenen Ausdruck. »Wobei ich mich am meisten dafür verachte, wie schnell ich mich habe brechen lassen. Und das von Menschen, die zu denen gehören, die ich hasse. Die meine Familie und mein Dorf betrogen und umgebracht haben.«
Wieder sann sie einen Augenblick vor sich hin. »Die beiden Albigenser haben sich nicht unterworfen und sie haben der Inquisition auch nicht verraten, dass ich ihnen geholfen hatte.«
»Woher wollt Ihr das wissen?«
»Eine der Nonnen sagte es mir, nachdem sie mich als rückfällige, büßende Ketzerin – mit dem Schandkreuz um den Hals – gnädig wieder im Kloster aufgenommen hatten. Und ich glaube ihr … Viele Albigenser sind eher bereit zu sterben, als sich der Inquisition zu unterwerfen.«
»Die beiden Prediger hatten Halt aneinander und in ihrem Glauben, und Ihr hattet gar nichts.«
Donata schüttelte abweisend den Kopf. »Das ist kein Grund.«
Eine Welle schlug gegen das Boot und brachte es zum Schlingern. Roger schreckte auf. Sie waren ein ganzes Stück an dem Landeplatz vorbeigetrieben, den er zuvor angesteuert hatte. Nachdem er vorsichtig gewendet hatte, ruderte er gegen die Strömung an. Als sie schließlich den Platz erreicht hatten, ließ er den Kahn so weit wie möglich auf das Ufer auflaufen, ehe er ins Wasser sprang und ihn vollends an Land zog. Er reichte Donata die Hand, um ihr beim Aussteigen zu helfen. Doch sie ignorierte ihn. Einige Augenblicke später standen sie sich auf dem verharschten Ufer gegenüber. Sie drückte ihr Bündel an sich. Die Verlorenheit, die ihr Gesicht eben noch gespiegelt hatte, war daraus geschwunden. Es wirkte zornig und auch, wie es Roger schien, verächtlich.
»Ich gehe nach Köln und ich rate Euch – lasst mich in Ruhe. Ich lasse mich von Euch zu nichts mehr zwingen!«
»Ihr könnt dort nichts ausrichten!«
»Das ist meine Sache.«
In Roger stieg ebenfalls Zorn auf. »Rennt meinetwegen in
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