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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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Euer Verderben! Ich finde den Zeugen auch ohne Euch.«
    Sie wandte sich wortlos ab. Er sah ihr aus zusammengekniffenen Augen nach, wie sie langsam und hinkend durch den Schnee ging und schließlich einen schmalen Pfad einschlug, der einen der Weinberge hinaufführte.

    *

    Enzio beugte sich vor und betrachtete Veit unter gesenkten Lidern. Die Haltung des Mannes, der hier, in einem der Räume der königlichen Hofhaltung, mit zerkratztem Gesicht und zerrissenem Mantel vor ihm stand, war durchaus ehrerbietig. Dennoch war der Kardinal mehr denn je überzeugt, dass der Verstand des Schreibers eigenen Wegen folgte, dass er zu ergründen versuchte, worum es ihm, Enzio, eigentlich ging – und vor allem, wie er daraus einen Nutzen für sich ziehen konnte. Nun, noch war er auf den Schreiber angewiesen.
    »Die Frau, die du am Stand des Farbenhändlers sahst, hatte also eine aufgeplatzte Lippe. Du täuschst dich wirklich nicht?«, nahm er die Befragung wieder auf.
    »Nein, Herr«, Veit schüttelte entschieden den Kopf. »Ich stand nur eine Armlänge von ihr entfernt. Ich habe mir ihr Gesicht ganz genau eingeprägt. Und ich schwöre Euch – ich hätte sie festgehalten, wenn nicht plötzlich, wie aus dem Nichts, dieser Mann auf mich zugekommen wäre und mich niedergeschlagen hätte.«
    »Hast du ihn erkannt? War es jener Mann, welcher der Frau schon einmal am Tor des Klosters zu Hilfe gekommen ist?«
    »Er hat mich beide Male überrascht … Aber ja, ich glaube, er war es.«
    Enzio warf Léon, der im Hintergrund des geräumigen Gemachs stand, einen raschen Blick zu. Dann bedeutete er Veit, dass er gehen könne. Nachdem dieser den Raum verlassen hatte, wandte sich der Kardinal dem Diener zu.
    »Die Frau, die unser Schreiber beinahe ergriffen hätte, muss jene Frau sein, die ich gestern Nacht in den Armen gehalten habe. Und der Mann, der sie aus dem Hof gebracht hat, scheint ebenfalls derjenige zu sein, nach dem wir suchen …« Trocken lachte er auf. »Irgendwann werde ich die Vorstellung spaßig finden, dass ich die Frau gewissermaßen schon in den Händen hatte.«
    Er erhob sich, ging zu einem Kohlebecken und hielt seine kräftigen Hände darüber. »Du hattest also Recht mit deiner Vermutung. Die beiden sind tatsächlich von jenem Dorf aus, wo du ihre Spur wieder aufgenommen hast, in Richtung Süden gezogen. Was wissen diese Spielleute?«
    »Kaum etwas, Herr. Und ich bin geneigt, ihnen zu glauben. Jedenfalls scheint der Mann tatsächlich ein Arzt oder sonst auf irgendeine Weise in der Heilkunde bewandert zu sein.«
    »Und an den Stadttoren hat niemand die beiden gesehen …«
    »Es ist Markttag, Herr.«
    »Was meinst du, haben sie die Stadt verlassen?«
    »Ich an ihrer Stelle hätte es auf jeden Fall getan.«
    »Ja, ich ebenso …«, der Kardinal nickte. »Der Mann ist also wahrscheinlich ein Medicus … eine gute Tarnung für einen Kundschafter. Dass sie versuchen, nach Süden zu gelangen, um möglichst bald das Gebiet des Kaisers zu erreichen, ist ebenfalls einleuchtend. Aber warum um alles in der Welt haben sie sich an Heinrichs Hof gewagt?«
    Enzio erinnerte sich an die Angst, die die Frau mit dem geschminkten Gesicht und den seltsamen Augen ausgestrahlt hatte. Für einen Moment glaubte er, ihren mageren Körper wieder zwischen seinen Händen zu spüren. Eine rückfällige Ketzerin, die sich – auf welche Weise und aus welchem Grund auch immer – mit einem Kundschafter des Kaisers zusammengetan hatte. »Warum sind sie dieses Wagnis eingegangen?«, wiederholte er seinen Gedanken. »Was für einen Nutzen haben sie sich davon versprochen?« Ungeduldig ging er auf dem steinernen Boden auf und ab.
    »Vergegenwärtigen wir uns das Mahl«, sagte er nach einer Weile. »Was haben sie währenddessen getan?«
    »Die Spielleute standen die meiste Zeit in der Nähe des Podiums, an der Stirnseite des Saales«, griff Léon die Überlegung seines Herrn auf. »Dann, als die anderen Gaukler ihre akrobatischen Kunststücke darboten, traten die Musikanten beiseite … Wenig später zogen sie singend um die Tische herum …« Léon stutzte und lauschte seinen eigenen Worten nach.
    »Was ist?«, fragte Enzio ungeduldig.
    »Herr, der Vorsteher der Spielleute sagte, der Medicus habe ihm geraten, den Platz an der Stirnseite des Saals zu verlassen und an den Tischen entlangzugehen.«
    »Tatsächlich? Nun, auf diese Weise hatten er und die Frau die Möglichkeit, jeden der Anwesenden zu sehen«, entgegnete Enzio versonnen. »Was wiederum den

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