Die Buchmalerin
sich heftig gegen einige Männer, die ihn gepackt hatten.
»Lasst mich los! Verdammt, ihr werdet es bereuen, wenn ihr mich nicht endlich zum Hof des Königs gehen lasst! Ich bin kein Dieb!«, seine Stimme überschlug sich.
Höhnisches Geschrei antwortete ihm. Als Veit den Diener des Kardinals erkannte, riss er sich los.
»Diese Hohlköpfe glauben, dass ich einem Händler einen kostbaren Stein stehlen wollte«, wütend funkelte er die Umstehenden an, die es jetzt, angesichts der Soldaten, nicht mehr wagten, ihn zu ergreifen, sondern ihn nur finster angafften. »Dabei habe ich die Frau gefunden, nach der Ihr sucht. Und wenn mich nicht ein Mann niedergeschlagen und diese Idioten mich festgehalten hätten, dann …«
»Wie lange ist das her?«, unterbrach ihn Léon ungeduldig.
»Lange genug, dass sie wieder entkommen konnte!«, fauchte Veit zornig.
*
Roger steuerte das Boot in Richtung der Flussmitte. Schließlich, als der Kahn gut in der Strömung lag, zog er die Ruder ein und schaute Donata an. »Ihr habt also das Gespräch belauscht … Ich hätte mir denken können, dass Ihr nicht schlaft.«
»Ihr haltet Euch nicht an unsere Abmachung«, sagte sie heftig. »Ich komme nicht mit Euch.«
»Ich denke, ich werde auch ohne Eure Hilfe herausfinden, ob dieser Odilo der Zeuge des Mordes an Gisbert ist oder nicht«, entgegnete er leichthin.
»Versucht es …«
Roger tat wieder einige Ruderschläge und lenkte das Boot auf das jenseitige Ufer zu. Die steilen Hänge dort überzogen Büsche und Weinstöcke. Sie bildeten ineinander verschachtelte Linien unter dem Schnee. Als er weiterredete, klang seine Stimme herausfordernd. »Aber ich habe Recht, nicht wahr – Ihr wollt nach Westen? Ihr wollt versuchen, den Kanal zu erreichen …«
»Nein!«
Zorn stieg in ihm auf. »Was ›nein‹?«, fuhr er sie an.
Donata betrachtete das grünliche Wasser, das sich in kleinen Wellen am Boot brach.
Als sie schließlich aufschaute, war auch ihr Blick zornig. »Ich will nach Köln …«
»Ihr könnt den Beginen nicht helfen. Niemand wird Euch glauben – einer Frau, die als rückfällige Ketzerin gilt.«
Ihre Augen waren voller Verachtung. »Es ist sehr freundlich von Euch, dass Ihr mich immer wieder daran erinnert, dass ich außerhalb jeglicher Ordnung stehe und kein Erbarmen mehr zu erwarten habe.«
Die Strömung, die am Boot riss, forderte Rogers Aufmerksamkeit. Aber dann und wann, zwischen den Ruderschlägen, sah er zu Donata hin. Sie hatte sich in ihren Mantel verkrochen und starrte abwesend auf das Wasser. Sie ging ihn nichts an … Er hatte seinen Auftrag zu erfüllen, den Zeugen zu finden und ihn so rasch wie möglich in den Süden zu bringen. Damit Friedrich mit ihm verfahren konnte, wie es ihm beliebte. Zornig wünschte sich Roger, sie wären sich damals, in jener Nacht am Tor des Klosters, nie begegnet. Ihre Blicke trafen sich.
Roger zog erneut die Ruder ein und ließ es zu, dass der Kahn ein wenig trieb. Sie hatten sich mittlerweile dem Ufer genähert. Hier war die Strömung nicht mehr ganz so stark.
»Warum seid Ihr bereit, Euer Leben aufs Spiel zu setzen und möglicherweise jenseits des Grabes in die Hölle zu wandern – wo Ihr zudem, vermute ich, auf Leute vom Schlag Gisberts treffen werdet? Was keine angenehme Gesellschaft für die Ewigkeit sein dürfte.«
»Die Mächtigen sollen nicht immer siegen.«
»Ach kommt …«, entgegnete er spöttisch. »Ja, ich weiß, Ihr habt das so oder so ähnlich schon einmal gesagt. Neulich, in jener Dorfkirche, nachdem Ihr vom Tod dieser Begine und von all dem anderen erfahren habt. Aber ein derartiges Maß an reinem Heldenmut und selbstlosem Opfer nehme ich Euch nicht ab.«
Nach einer Weile sagte Donata leise: »Ich habe schon einmal jemanden im Stich gelassen. Ich will es nicht noch einmal tun.« Am Ufer flog ein Schwarm Enten auf. Das Blau und Grün des Gefieders leuchteten in der Sonne auf und wurden wieder stumpf, als die Vögel beidrehten.
»Ich habe Albigenser, ein Prediger-Paar, an die Inquisition verraten.« Ihr Blick war fest auf Roger gerichtet, ihre Stimme jedoch nur ein Flüstern. Er hielt die Ruderschäfte nun locker in den Händen, bemerkte, wie sich der Kahn leicht in der Strömung drehte, tat aber nichts dagegen. Der Entenschwarm beschrieb einen weiten Bogen und ließ sich am Ufer, fast genau dort, wo er sich eben in die Lüfte erhoben hatte, wieder nieder.
»Es tut mir Leid. Ihr müsst es mir nicht erzählen …«
Sie schob die Hände in die Ärmel
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