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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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Wenn die Männer, die die andere Seite des Tors bewachten, den Durchgang versperrten, saßen sie unentrinnbar in der Falle. Doch nun hatten sie das Gewölbe hinter sich gelassen, traten wieder ins Licht hinaus. Die Soldaten scherten sich nicht um sie. Jenseits einiger kleiner Häuser, die Zäune und Hecken umgaben, erstreckten sich weiß und funkelnd verschneite Felder. Unwillkürlich atmete Roger auf.
    Aus Gewohnheit ergriff er Donatas Arm und half ihr über eine Verwerfung im Schnee hinweg.
    »Wo wollt Ihr hin?«, murmelte sie.
    »Zum Hafen.«
    »Gut.« Sie nickte.
    Sie hasteten über die weite, ebene Fläche, die sich zwischen der Stadtmauer und dem Fluss erstreckte. Die Bäume und Büsche, die da und dort zwischen den Feldern standen, waren von einer dünnen Eisschicht überzogen. Während Roger weiterhin auf die Geräusche der Stadt horchte, die nun in ihrem Rücken lag, erschien ihm dieses winterliche Land zum ersten Mal, seit er in es zurückgekehrt war, sehr schön.
    In dem kleinen Hafen, der sich in einer Flussbiegung befand, lagen etliche Boote kieloben am Ufer. Ein Fischer, der hohe Lederstiefel trug, watete durch das Uferwasser und zog seinen Kahn hinter sich her. Roger trat auf ihn zu.
    »Wie viel wollt Ihr für das Boot?«
    »Was …?« Der Fischer starrte ihn verständnislos an. Roger griff in den Lederbeutel, der an seinem Gürtel hing, zog einige Geldstücke heraus und drückte sie ihm in die Hand. Der Mann erhob keinen Einwand, als Roger Donata in den Kahn half, ihm die Angel und den Korb reichte, in dem sich ein paar wenige Fische ringelten, und das Boot mithilfe der Ruder ins tiefere Wasser stakste. Nun ergriff die Strömung den Kahn und trug ihn mit sich fort. Als Donata zurück zum Ufer blickte, sah sie den Fischer immer noch dort stehen und auf die Hand starren, in der er die Geldstücke hielt.

    *

    Kurze Zeit später betrat Léon mitsamt einer Hand voll Soldaten den Hof, in dem die Spielleute lagerten. Die Gesichter der Musikanten trugen nun keine Schminke mehr. Aber Léon erkannte einige der Instrumente und bunten Gewänder wieder, die auf den Karren lagen. Die Frau und der Mann jedoch, nach denen er suchte, befanden nicht unter den Musikanten, die ihn und seine Leute mit teils ängstlichen, teils herausfordernden Blicken bedachten.
    »Ihr seid nicht vollständig«, sagte Léon grob. »Jene Frau, die der Kardinal von Trient gestern Nacht vor der Basilika zu sich winkte, und der Mann, der mit ihr zusammen den Hof verließ, wo sind sie? Ich rate euch, versucht nicht, mich mit Ausflüchten hinzuhalten. Gesindel wie ihr lässt sich immer etwas zu Schulden kommen!«
    Ein muskulöser Mann, der die schwarzen Haare zu einem Zopf zusammengebunden hatte, trat vor. »Herr, die beiden gehören nicht wirklich zu uns.«
    »Sie haben mit euch gespielt. Komm schon! Ich lasse eure Sachen durchsuchen und ich bin sicher, es wird sich das eine oder andere darunter finden, was ihr vom Hof des Königs habt mitgehen lassen!«
    Der Vorsteher der Spielleute hob bittend die Hände. »Herr, der Mann und die Frau haben nicht bei uns geschlafen. Sie haben in einem Haus weiter oben in der Gasse die Nacht verbracht. Ihr solltet dort nach ihnen suchen.«
    Léon gab zwei der Soldaten ein Zeichen. Daraufhin fassten diese Ludwig und drehten ihm die Arme auf den Rücken. Er selbst rammte ihm die geballte Faust in den Magen. Mit einem erstickten Schmerzenslaut sackte der Musikant zusammen.
    Ein anderer Mann, der eine Kappe mit bunten Troddeln auf dem Kopf trug, drängte sich zwischen den Spielleuten nach vorn. Eine Frau, die lange braune Haare und ein schönes Gesicht hatte, versuchte, ihn aufzuhalten. Doch er schüttelte sie ab.
    »Herr, es stimmt, was er sagt«, der Musikant deutete auf den Vorsteher, der keuchend und würgend auf dem Boden kniete. »Die Frau ist vor einer Weile auf der Gasse in Richtung Markt gelaufen und der Mann ist ihr gefolgt und hat sie gesucht …«
    Der Diener des Kardinals befahl einigen seiner Leute, bei den Musikanten zu bleiben. Mit den übrigen eilte er zum Markt. Sie waren noch nicht weit gekommen, als sie zwischen den Buden Geschrei und wütendes Stimmengewirr hörten. Sie schoben die Leute beiseite und erreichten schließlich ein Menschenknäuel, das den Durchgang versperrte. Mit Hieben und Tritten bahnten sie sich ihren Weg.
    Plötzlich hielt Léon inne. Vor ihm – gleichsam im Zentrums des Aufruhrs – stand Veit, der Schreiber. Sein Gesicht war zerkratzt, sein Haar zerzaust und er wehrte

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